Page 25 - Brot backen - wie es nur noch wenige können
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PROTAGONIST
MÜLLER
Mahlen ist ein technisch einfacher Prozess, den die Menschen sicher schon beherrschten, als sie
sesshaft wurden. Man braucht nicht mehr als zwei Steine, der untere ruht fest auf dem Boden, der
obere wird hin- und herbewegt. Auf diese Weise lassen sich Getreidekörner zu Mehl zerreiben.
Einfach, aber langwierig und kräftezehrend. Eine Arbeit für Frauen und Sklaven.
Die mussten sich lange plagen. Wie man aus dem Hin und Her eine runde Sache machen kann,
wurde erst zwischen 800 und 500 v. Chr. entdeckt: Man verband die beiden Steine mit einer Achse, um
die der obere, der „Läuferstein“, kontinuierlich gedreht wurde. Diese Erfindung erlaubte eine relativ
rasante Entwicklung der Mahlmühlen. Die Drehung konnte nun mithilfe eines Griffs händisch von
einer Person ausgeführt werden. Die Bewegungsenergie ließ sich aber auch von mehreren Menschen
oder Tieren erzeugen, die in der „Tretmühle“ im Kreis liefen. Dass diese stumpfsinnige Arbeit auch
ein Element übernehmen kann, das ohnehin ständig in Bewegung ist, entdeckten die Römer um 120
v. Chr. Damit war die Wassermühle erfunden.
Die Windmühle in Retz, Niederösterreich, in einer Aufnahme aus dem Jahr 1911.
Diese Mühlen wanderten mit dem expandierenden römischen Reich nach Norden. Und versetzten
die Menschen in den eroberten Gebieten in Angst und Schrecken. „Das religiöse Gefühl dieser Heiden
stellte sich sofort auf die Seite der beleidigten Wassergötter ...“, schreibt Heinrich Eduard Jacob in
„6000 Jahre Brot“. „Der römische Müller (galt) als Zauberer, und die Mühlen, in denen das Wasser
gemartert, das Wasser aufs Rad geflochten wurde, wurden zu unheimlichen Orten. Wer in einer Mühle
wohnte, der hatte die Rache des misshandelten Elements zu fürchten. Der ‚Wassermann‘ zerriss ihm
das Rad.“
Nachdem die Römer wieder abgezogen waren, ließ man viele Mühlen verfallen; die Heiden wurden
zwar zunehmend zu Christen, doch die Mönche taten sich schwer, ihnen die alten Ängste zu nehmen.
Mühlen erzeugen Brot, Brot ist Christus, so die Argumentationskette der Prediger. Da Logik