Page 3 - Nordkurier (+11.01.2017)
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Mittwoch, 11. Januar 2017                                             Blickpunkte                                                                      Seite 3




           Witz und Charme machen schwere





           Diagnosen leichter erträglich






                                      Wochenende eine Lektion
           Von  Marie Krüger
                                      darin erteilt. Was in keiner
           Anatomie, Hygiene,         Weise bedeutet, dass sie die
           medizinische Psychologie   angehenden Mediziner zu
           – Fächer, die auf dem      Clowns oder Komikern ge-
           Stundenplan jedes          macht hat. Sie möchte, dass
           Medizinstudenten zu finden   die Studenten ein Feingefühl
           sind. An der               dafür entwickeln, wann wel-
           Universitätsmedizin        che Art von Humor ange-
           Greifswald wurden          bracht ist. Wer im Klinikalltag
           angehende Ärzte nun aber   komplett darauf verzichtet,
           zum ersten Mal in Humor    aus Angst etwas Falsches zu
           geschult.                  tun oder zu sagen, hat es
                                      schwerer und verschenkt ein
           GREIFSWALD. Wird jemand ins  Stück Lebensfreude.
           Krankenhaus eingeliefert, hat
           er neben Schmerzen oft eins:  Die Geschichte
           große Angst. Wie schafft es  mit der Unterhose
           der Arzt, ihn zu beruhigen  Eva Ullmann fordert alle
           und sein Vertrauen zu gewin-  Teilnehmer auf, in kleinen
           nen? „Oft ist es lediglich eine  Gruppen zu überlegen, wel-
           Geste, ein Satz oder auch nur  che Situationen sie selbst
           ein Augenzwinkern“, berich-  schon einmal mit Humor
           tet Kinderchirurg Professor  auflockern konnten. Henri-
           Winfried Barthlen. Kleine Si-  ke Förster lacht und berichtet
           gnale können dem Kranken  von ihrer letzten Prüfung: Sie
           das Gefühl geben, dass er es  sollte einen Schauspielpatien-
           nicht mit einem erhabenen  ten mit Rückenschmerzen
           „Gott in Weiß“ zu tun hat.  untersuchen und eine Diag-
           „Von Mensch zu Mensch kann  nose stellen. Sie bat ihn, sich
           ich dem Patienten vermitteln:  freizumachen. „Als er auch
           Wir schaffen es gemeinsam,  seine Unterhose runterzie-
           dein Problem zu lösen.“    hen wollte, habe ich gesagt:  Der Arzt Eckart von Hirschhausen (rechts) hat eine Greifswalder Studie unterstützt, die die Wirksamkeit von Klinikclowns
              Mit einer wohldosierten  Soweit wollen wir heute aber  beweisen sollte. Er hat auch das Humor-Seminar für Studenten angeregt.              FOTO: UMG/MANUELA JANKE
           Portion Humor kann der  noch nicht gehen.“ Selbst der
           Arzt das Vertrauen seines  Prüfer musste über ihren  einzusetzen“, sagt die 25-jäh-  der Universität Greifswald.  von Hirschhausen hatte es  Allerdings kenne Barthlen
           Patienten gewinnen, davon  Spruch lachen und die unan-  rige Studentin.         „Ein Kollege zwinkert zum  bei seinem Besuch in Greifs-  keine Situation, in der nicht
           ist auch Eva Ullmann über-  genehme Prüfungssituation   Katharina Eyme hat das  Beispiel manchen Patienten  wald im vergangenen Jahr  auch ein Fünkchen Humor
           zeugt. Sie ist Trainerin am  wurde viel entspannter. „Da  schon einige Mal bei erfah-  beim Rausgehen noch einmal  angekündigt.      angebracht sei – selbst wenn
           Deutschen Institut für Humor  war es eher Zufall, aber ich  renen Ärzten beobachtet.  zu“, berichtet die 23-Jährige.                 der Kinderchirurg Eltern mit-
           und hat mehr als 50 Medizin-  glaube, dass man es schon  Sie studiert im neunten Se-  So entstehe einfach eine ge-  Ein kleines Licht    teilt, dass er ihrem Sprössling
           studenten am vergangenen  lernen kann, Humor gezielt  mester Humanmedizin an  wisse Leichtigkeit. „Ich glau-  am Horizont zeigen     nicht mehr helfen kann.
                                                                                           be, das hilft auch dem Arzt  Winfried Barthlen, hofft nach   Seiner Erfahrung nach seh-
                                                                                           selbst, um den stressigen Kli-  dem erfolgreichen Start, dass  nen sich die Menschen nach
                                                                                           nikalltag besser zu meistern.“  das Humor-Seminar keine  „etwas Licht am Horizont“.
                                                                                           Wie der Arzt-Patienten-Bezie-  einmalige Sache bleibt, son-  Dann sei natürlich nicht die
                                                                                           hung tut eine Portion Humor  dern fest die medizinische  Zeit für Schenkelklopfer, er-
                                                                                           ebenso der Stimmung inner-  Ausbildung integriert wird.  gänzt Eva Ullmann und wen-
                                                                                           halb des Klinikpersonals gut.  „Die Studenten lernen so viel,  det sich an die Teilnehmer:
                                                                                           „Im Moment ist der ökono-  aber eher wenig über den Um-  „Von einem Kabarettisten
                                                                                           mische Druck so groß, dass  gang mit Menschen“, sagt der  unterscheidet Sie, dass Sie
                                                                                           wir aufpassen müssen, dass  erfahrene Mediziner. Dabei  Humor mit Menschlichkeit
                                                                                           die Stimmung nicht kippt“,  sei das sehr wichtig für den  und Empathie einsetzen.“ Um
                                                                                           so der Direktor der Klinik für  Erfolg eines Arztes.  sich auszuprobieren, rät die
                                                                                           Kinderchirurgie, Winfried    Der Grat ist allerdings  Humor-Trainerin den Studen-
                                                                                           Barthlen.                  schmal. In erster Linie sollen  ten erst einmal mit Bekann-
                                                                                              Für das Seminar haben  die angehenden Mediziner  ten und vertrauten Patienten
                                                                                           sich viele der Studenten   natürlich mit Kompetenz und  zu üben. Bevor sie dann auch
                                                                                           bereits vor mehreren Mona-  Wissen überzeugen und ihren  unangenehme  Situationen
           Professor Winfried Barthlen (rechts) nahm gemeinsam mit mehr als 50 Studenten am Humor-  ten angemeldet. Der Medizi-  Patienten so das Gefühl ge-  mit einem Witz auflockern
           Seminar teil. Er wünscht sich, dass es fester Bestandteil des Medizinstudiums wird.  FOTO: M. KRÜGER  ner und Kabarettist Eckart  ben, in guten Händen zu sein.  können.


           Humorforschung ist in                                                                                      Deutsches Institut für Humor

                                                                                                                      LEIPZIG. Das Deutsche Institut  schneller und eindrücklicher
           Deutschland noch nicht etabliert                                                                           für Humor in Leipzig hat sich  transportiert. Das Institut
                                                                                                                      auf den Einsatz von Humor  arbeitet hauptsächlich mit
                                                                                                                      in der Arbeitswelt speziali-  Unternehmen zusammen.
                                      nen Patienten fühlten sich  durchaus ernstes Thema  Clownbesuch       getestet.  siert. 2005 gegründet, bietet  Das Projekt „Arzt mit Hu-
           Von  Marie Krüger
                                      wohler, hatten mehr Ver-   handelt.                  Der Oxytocin-Spiegel nach  es unter anderem Trainings  mor“ ermöglicht seit 2013
           Im Greifswalder            trauen und auch ihre Eltern   In die erste Untersuchung  der Begegnung mit den  und Moderationen an. Dabei  auch Medizinstudenten, an
           Universitätsklinikum wurde   waren zufriedener mit der  wurden damals 31 Kinder im  Clowns stieg durchschnitt-  geht es um gut platzierten  den Erfahrungen von Grün-
           auch schon wissenschaftlich   Behandlung.             Alter von vier bis 13 Jahren  lich um 30 Prozent und die  Humor und die passende Do-  derin Eva Ullmann und ihren
           gezeigt, dass Lachen im      Um die gewonnenen Er-    einbezogen. Während die  Befragung brachte große  sis, die Inhalte und Themen  Kollegen teilzuhaben.    mk
           Krankenbett einen positiven   kenntnisse aber auf solide  Greifswalder Mediziner sie  Zustimmung bei allen Betei-
           Effekt hat. Für eine groß   wissenschaftliche Beine zu  untersuchten und behandel-  ligten zutage – bei den Kin-
           angelegte Studie fehlen aber   stellen, müsste eine weiter-  ten, waren Clowns dabei und  dern, den Eltern und auch
           bislang die Unterstützer.  entwickelte Langzeitunter-  machten Späße.           beim medizinischen Perso-
                                      suchung gemacht werden.                              nal. „Obwohl die Clowns
           GREIFSWALD. Der Arzt Eckart  Das kündigte Studienleiter  Kuschelhormon war      während der Visite eine
           von Hirschhausen glaubt  Winfried Barthlen schon  nachweislich gestiegen        große Herausforderung für
           daran: Humor hilft heilen.  im Januar 2016 an, als er  Die kleinen Patienten wur-  alle Kollegen waren“, be-
           Er hat sogar eine Stiftung  die vorläufigen Ergebnisse  den anschließend von einer  richtet der Greifswalder
           mit dem gleichen Namen  gemeinsam mit Eckart von  Psychologin der Humboldt-     Kinderarzt. Sich auf alles
           gegründet. Und auch der  Hirschhausen in Greifswald  Universität Berlin befragt.  zu konzentrieren, während
           Greifswalder Kinderchirurg  präsentierte. Ein Jahr später  Zudem wurde vor und nach  die Spaßmacher um einen
           Professor Winfried Barthlen  ist aber nicht viel passiert.  der Visite ihr Oxytocin-Spie-  herumwuseln, sei nicht so
           ist überzeugt davon. Mit  Die Unterstützer fehlen. „Es  gel gemessen. „Oxytocin ist  einfach gewesen, sagt der
           Unterstützung von Hirsch-  ist schwierig, in Deutsch-  auch als Kuschelhormon  der Mediziner. Auch aus
           hausens Stiftung hat er 2015  land eine seriöse Humor-  bekannt“, erklärt Winfried  diesem Grund sei es schwer,
           eine Pilotstudie auf den Weg  forschung zu betreiben“,  Barthlen. Es ist ein objekti-  Mitstreiter für eine groß an-
           gebracht, die den positiven  sagt der Kinderchirurg. Es  ver Indikator für Vertrau-  gelegte Weiterführung der
           Effekt von Klinikclowns auf  gebe viele Vorbehalte und  en und wird beispielsweise  Studie zu finden. Winfried
           der Kinderstation beweisen  sei schwer anderen Wis-   beim Stillen ausgeschüttet.  Barthlen ist dennoch zuver-  Sozialpädagogin Eva Ullmann hat selbst einige Semester
           sollte. Die Ergebnisse waren  senschaftlern zu vermit-  Dasselbe wurde auch bei  sichtlich: „Ich habe noch  Medizin studiert. Nun trainiert sie regelmäßig angehende Ärzte
           vielversprechend: Die klei-  teln, dass es sich um ein   einer Kontrollgruppe ohne  nicht aufgegeben.“     in Humor.                               FOTO: MARIE KRÜGER


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