Page 125 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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Tunnels.  Meine  Mutter  war  sehr  gläubig,  ein  kleiner
          Fernseher  schmückte  ihr  einfaches  Zimmer,  eine  Ma-
          rienstatue stand dort, außerdem erhellten ein paar alte
          Fotos  von  ihren  Kindern  sowie  der  Hoffnungsschimmer
          aller Anwesenden das einfache Zimmer. Es war eine be-
          drückende Stille, wir waren einfach so überwältigt, nach
          Jahrzehnten des Suchens. Mein Leben, meine Zeilen, für
          alle  Freunde  im  Jetzt  und  in  der  Vergangenheit,  bitte
          verzeiht  mir,  wenn  ich  zwischendurch  nicht  immer  eu-
          rem Ideal entsprach, oft auch verzweifelt und unermüd-
          lich nach meinen Wurzeln suchte. Aber mich trieb immer
          etwas Unerbittliches an, ihr könnt euch sicher ein wenig
          in  mich  hinein  fühlen.  Tiefer  als  aus  der  Vierten  Welt
          kann man nicht kommen oder in sie abtauchen, das ist
          die unterste Stufe des Lebens, da ergreift man automa-
          tisch jeden sich bietenden Strohhalm im reißenden Fluss
          der Verzweiflung. Sicher verfalle ich zwischendurch oft in
          Sarkasmus oder Selbstironie, mir und dem Leben gegen-
          über, aber ich gebe niemals auf; denn wenn du die un-
          terste  Stufe  des  Lebens  kanntest,  kämpfst  du  dich  wie
          ein Ertrinkender nach oben. Oft verfällst du dann wie in
          Trance, um dich auszuruhen, dann geht es weiter an die
          Oberfläche,  der  Sonne  entgegen,  um  dein  Inneres  zu
          erwärmen. Manchmal muss man sich auch treiben lassen
          auf den Wellen des Wahnsinns, um wie in Trance wieder
          ans Ufer der Realität zu gelangen. Aber auch meine Frau
          spürte meine innere Unruhe und hielt sehr tapfer zu mir,
          denn  was  sie  nachher  sah,  überrollte  ihre  Seele  sehr
          massiv,    daher:  ein  spezielles  und  herzliches  Danke  an
          sie,  für  immer  liebe  Carmen.  Was  mir  besonders  beim
          Überleben  half:  das  Kind  in  mir  und  NIEMALS  aufzuge-
          ben,  denn  sonst  ist man dem  Untergang  geweiht, egal,



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