Page 94 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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Jugoslawien, Ostblock und Europa
Hatte einen guten Freund aus Jugoslawien in den Siebzi-
gerjahren, vermutlich ein politischer Flüchtling. Er arbei-
tete mit seiner Frau in einer Metzgerei für weniger als
den Mindestlohn und das in Zürich, der reichen Schweiz
der Siebziger - und Achtzigerjahre, aber wen interessierte
das? Speziell nicht die Behörden, aber heute weiß ich
sehr viel. Auch seine Frau war ein Juwel, und ich war
froh, jemanden wie diese zwei Persönlichkeiten zu mei-
nen Freunden zählen zu dürfen. Wir trafen uns oft zu
einem Getränk und sprachen sehr viel über die Weltpoli-
tik. Im Jahre 1970 erklärte mein Freund unter einer gro-
ßen Anspannung und unter Tränen: Michel, wenn du
wüsstest was auf die Schweiz zukommt, es ist einfach
sehr traurig. Denn das Schweizervolk ist sehr glaubhaft,
arbeitswillig und liebenswürdig und das hätten sie in
keiner Weise verdient, dass man sie auf diese Weise aus-
nützen wird, was die Zukunft anbelangt. Dann erläuterte
er mir die ganzen politischen Zukunftsprognosen, immer
mehr Tränen rannen über sein abgekämpftes Gesicht.
Aber was war an mir, dass Alle bei mir beichteten, spezi-
ell im Politbereich? Ich hatte doch nichts Göttliches an
mir, sondern war nur einfach Mensch. Dennoch musste
ich etwas Spezielles ausstrahlen, war es vielleicht das
Erbe meines Vaters, sicher aber die Gene meiner gelieb-
ten Mutter. Wenn man Respekt von mir wollte, musste
man ihn mir auch entgegenbringen, speziell wünschte ich
mir das von Vaters Seite aus. Was war an mir, dass alle
Politiker, Reichen, Geheimdienste, Millionäre, Milliardäre
mit mir Kontakt aufnahmen und dauernd ihr Herz aus-
schütteten? Dann floss es aus ihm heraus. Da hatte ich
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