Page 125 - Michaels_Buch Februar_neu
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zwei Tage wurde ich eines Besseren belehrt.


            Wir waren zwei Gruppen von Schülern. Da waren Leute dabei, die genau wie ich keine Ahnung von
            der Materie hatten. Die zweite Gruppe bestand aus erfahrenen Hypnotiseuren, die bei einem Meister
            seines Faches, der Jan Becker nun mal ist, noch etwas dazu lernen wollten.

            Wir erfuhren, wie man jemanden in Hypnose versetzen und ihn wieder herausholen kann. Wir
            lernten, was man an Unheil mit solchen Fähigkeiten anrichten kann und dass wir uns moralisch
            immer korrekt verhalten sollen. Die Experimente, die er mit uns machte, waren teilweise richtig
            lustig. Er versetzte einen von uns in Hypnose und sagte ihm, nach dem Aufwachen würde er seinen
            Namen nicht mehr kennen oder gab ihm sogar einen anderen Namen. Später fragte er dann den
            Probanden, warum er seinen Namen nicht mehr wusste und der konnte sich das beim besten Willen
            nicht erklären.

            Es gibt aber auch für Hypnotisierte eine moralische Grenze, die sie nicht überschreiten können.
            Wenn ich eine Mutter in Hypnose versetze und ihr befehle, ihr Kind zu erschießen, wird eine
            moralische Sperre das verhindern. Ich kann das Ganze aber mit einem einfachen Trick umgehen.
            Ich zeige auf einen Stuhl und sage ihr, dass das ihr Kind ist. Das mache ich mehrmals, bis sie fest
            davon überzeugt ist. Jetzt zeige ich auf ihr Kind und sage, dass das ein Löwe sei. Auch davon ist sie
            überzeugt. Ich drücke ihr eine Waffe in die Hand und sage ihr, dass der Löwe jetzt ihr Kind töten
            wird, wenn sie ihn nicht erschießt. Jetzt wird sie ohne zögern auf ihr Kind schießen.

            Jan sagte uns, dass es Menschen gibt, die einfach nicht hypnotisierbar wären. Ich fragte ihn, wieso
            die Showhypnotiseure im Fernsehen nie an einen solchen Kameraden gerieten. Das wäre doch der
            Supergau für eine Show. Hier konnte mir Jan weiter helfen. Vor jeder Show machen die
            Hypnotiseure vorher mit dem Publikum eine Art Aufwärmübungen.


            Eine davon geht so: Der Hypnotiseur bittet alle im Publikum aufzustehen, die Augen zu schließen
            und die Hände weit von sich zu strecken. Dann sagt er: „Stellen sie sich vor, ich hänge vier mit Gas
            gefüllte Luftballons an Ihren rechten Arm. Jetzt hänge ich einen Eimer mit Beton an ihren linken
            Arm. Spüren sie wie der den Arm runter zieht? Ich hänge noch vier Luftballons an ihren rechten
            Arm. Die ziehen ihn immer weiter nach oben.“


            Wenn er jetzt ins Publikum schaut, sieht er Leute, bei denen die beiden Arme immer noch
            waagrecht sind, aber auch viele, wo der eine Arm nach unten hängt und der andere in die Luft
            gereckt ist. Das sind die Leute, unter denen er sich seine Probanden aussucht. Er macht noch
            sicherheitshalber ein paar weitere Übungen und weiß dann genau, wen er auf die Bühne holen wird.

            Am Samstagabend gingen wir alle zusammen in eine Disko und Jan fragte, ob jemand von uns
            einmal das Gelernte ausprobieren möchte. Ich erklärte mich bereit und er teilte mir mit, wie ich
            vorgehen sollte. Auf keinen Fall dürfe ich sagen, dass ich ein Neuling sei, ich sollte erzählen, dass
            ich Hypnotiseur wäre und auf einem Kongress neue Methoden kennengelernt hätte, die ich nun in
            der Praxis anwenden möchte. Ich sprach mehrere Leute an und endlich sagte ein Pärchen zu. Die
            Frau war bereit, sich meinem Experiment zu stellen. Ich versetzte sie in Hypnose und sagte ihr
            Name wäre Hans. Dann holte ich sie aus der Hypnose und der Mann schüttelte sich zum Erstaunen
            seiner Partnerin vor Lachen, als sie steif und fest behauptete, sie hieße Hans.


            Claudia hatte mir einen Termin mit Ralph Siegel in seiner Villa in München gemacht. Sie buchte
            mir morgens einen Flug hin und abends wieder zurück. In der Villa wurde ich von seinem Butler
            empfangen und in einen Flur gebeten, der über und über mit goldenen Schallplatten und sonstigen
            Auszeichnungen dekoriert war. Kurz danach kam der Hausherr und bat mich in sein Wohnzimmer.
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