Page 122 - Michaels_Buch Februar_neu
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Aber auch mit höheren Preisen konnte ich keinen Kameramann nach München oder Stuttgart
schicken. Ich brauchte Kameraleute vor Ort. Deshalb habe ich Anzeigen in den Städten geschaltet
und es meldeten sich eine ganze Reihe von Interessierten. Bei den Vorstellungsterminen traf ich die
Kameraleute nacheinander in der Lobby des jeweiligen Hotels, in dem ich abgestiegen war. Ich
entschied mich für zwei der Kandidaten und startete mit neuen E-Mail Aktionen. Die Kameraleute
filmten nach unseren Vorgaben und schickten das Rohmaterial nach Hannover, wo es von uns
geschnitten wurde.
Wenn man Massenmails verschickt, bleibt es nicht aus, dass man immer wieder Abmahnungen von
Anwälten erhält. Zu der Zeit war das aber noch eine rechtliche Grauzone und hatte keine
Konsequenzen. Auf Dauer konnte ich so aber nicht weiter machen. Ich begann, die Aussteller per
Brief anzuschreiben. Das Eintüten von so vielen Schreiben war eine langwierige Angelegenheit und
ich kaufte schließlich ein Kuvertiermaschine, die das automatisch machte.
Im Laufe der nächsten Jahre hat uns diese Aktion eine Menge neuer Kunden gebracht, denn sie
waren so zufrieden, dass sie nicht nur weitere Filme, sondern auch Liveübertragungen von uns
durchführen ließen.
Am 14. Mai waren wir für den WDR in Dortmund im Einsatz. Der BVB war Deutscher Meister und
Pokalsieger geworden. Wir waren mit mehreren Filmteams zusammen an verschiedenen Stellen und
übertrugen den Autokorso, der vom Borsigplatz zur Party-Meile vor den Westfalenhallen rollte.
Obwohl einige Ü-Wagen vor Ort waren und wir nur eine Caseregie hatten, haben wir so gute Arbeit
abgeliefert, dass der Hauptregisseur, wenn irgendwo eine Panne passierte, jedes mal auf uns
zurückgriff, weil, wie er sagte, bei uns alles stabil lief. Das ist natürlich den anderen Kollegen nicht
verborgen geblieben und hat für einige Aufmerksamkeit gesorgt.
Neben unserem Konferenzraum hatte ich ein kleines Kino bauen lassen. Es war für 6 Personen
ausgelegt und mit bequemen Ledersesseln ausgestattet. Es gab einen Beamer und eine große
Leinwand sowie eine Surround-Anlage. Jetzt brauchte ich ein aktuelles Showreel, das die gesamte
Bandbreite unseres Leistungsprofils zeigte. Ich übertrug Andi diese Aufgabe und er machte sich
unverzüglich ans Werk. Heraus kam ein 15-minütiger Film, der alle unsere Bereiche abdeckte. Für
die Präsentation im Kino war die Länge kein Problem, aber für die Vorstellung unserer Firma beim
Kunden vor Ort, war das Showreel zu lang. Andi schnitt mir noch ein weiteres Showreel, das gerade
mal 3 Minuten lang war, und das man beim Kunden vorführen konnte.
Im Juni wollte ich unsere Firma als Ausbildungsbetrieb etablieren. Ella rief bei der IHK an und
erkundigte sich nach den Voraussetzungen. Da keiner von uns eine Ausbildung im Bereich
Mediengestaltung hatte, bekamen wir eine Absage. Ich hatte mich schon damit abgefunden, doch
Ella blieb am Ball. Durch ihre Hartnäckigkeit erreichte sie schließlich, dass sich die IHK einen
Eindruck von uns verschaffen wollte und vereinbarte einen Termin bei uns vor Ort. Wir putzten die
Firma auf Hochglanz und ich wartete mit klopfendem Herzen auf den Vertreter der IHK. Es kamen
zwei Herren, einer stellte sich als IHK-Mitarbeiter vor, der andere war der Ausbildungsleiter von
TVN.
Wir gingen durch die Studios, in denen meine Jungs Filme schnitten und der TVN-Mann löcherte
sie mit Fragen. Beim Anblick unserer Technik rümpfte er die Nase und sprach auch sehr von oben
herab. Meine Kinder konnten aber alle seine Fragen beantworten, trotzdem wurde ich immer
wütender, ob seiner herablassenden Art.
Als wir den Rundgang beendet hatten, führte ich die beiden in unser Kino. Sie setzten sich in die
Sessel und ich startete von außen unser Showreel. Dann ging ich nach draußen auf den Hof und hab
5 Minuten vor Wut gebrüllt.