Page 76 - Werder-Schach-Magazin-2015-1
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3. Runde (Sonntag, 23. November):

Gute Nacht Freunde

Verden wartet auf Weltmeister Carlsen

Kommt er, oder kommt er nicht? Noch ist nicht sicher, ob Mag-
nus Carlsen, der alte, aktuelle und vielleicht sogar zukünftige
Weltmeister sein Versprechen wahr machen wird und nach dem Ende des WM-Kampfes mit
dem Fernbus aus Sotschi direkt zu den Deutschen Meisterschaften nach Verden reist. „Mich
reizt die norddeutsche Tiefebene“, so der Weltmeister, der schon in der heutigen vierten
Runde in den Wettbewerb einsteigen könnte, um seine Chancen im Titelrennen zu wahren.

Die Konkurrenz hier in Verden ist natürlich vorgewarnt - und leicht dürfte es nicht werden
für Carlsen, denn sowohl Daniel Fridman gewinnt Partie um Partie und hat bereits jetzt
drei Punkte Vorsprung auf den norwegischen Weltmeister. Spielen wird er heute gegen den
anderen Drei-Punkte-Mann Matthias Blübaum. Direkt hinter dem Führungsduo tummeln
sich mit Dennis Wagner, Vitaly Kunin und Sebastian Siebrecht drei Titelträger - auch an
diesen dreien müsste Carlsen sich erst einmal vorbeiarbeiten auf dem Weg zur Deutschen
Meisterschaft. Ebenfalls zweieinhalb mit beachtlicher Souveränität erarbeitete Punkte ha-
ben Thilo Kabisch und Sebastian Zehnter - sie trotzten gestern sowohl Dennis Wag-
ner und dem wiederum hartnäckig auf Gewinn spielenden Vitaly Kunin zwei wichtige halbe
Punkte ab.

Manchem wird es aufgefallen sein, dass die gestrige Runde entgegen aller Ankündigung
erst um 19 Uhr eröffnet wurde. Kurzfristig hatte sich herausgestellt, dass der große Saal
des Hotels direkt neben dem kleinen Saal der Schachmeisterschaft für einen sonntäglichen
Tanznachmittag vergeben worden war - ummta, ummta, ummta, und von dieser schönen
Wendung und dem Fauxpas des Hotels kurzfristig überrascht, beschloss die Turnierleitung,
zur Wahrung der Turnierruhe den Rundenbeginn um vier Stunden zu verschieben. Und tat-
sächlich, um kurz nach 19 Uhr schwang noch einmal „Gute Nacht, Freude, es wird Zeit für
mich zu gehen“ durch die Luft, und danach - Stille. Die Partien konnten beginnen.

Leider müssen in dieser Welt oft die Leisen den Lauten weichen - die Tanzwütigen hätten ja
eigentlich auch anerkennend sagen könnten, Mensch, Mensch, eine deutsche Schach-Meis-
terschaft gleich nebenan! Und viele kleine und große Meister direkt hinter dieser dünnen
Wand! Da wollen wir mal ein bisschen vorsichtig sein und ganz leise tanzen heute! Doch so
kam es nicht, und statt dessen und wie immer waren es die freundlichen Schachsportler,
die sich fügten und in die Abendstunden wechselten, sehr zum Missvergnügen des aus
einiger Ferne anreisenden Gerlef Meins, den die Nachricht der Spielverlegung nicht mehr
rechtzeitig erreichte. Aber vier Stunden Kurzurlaub in Verden - das ist doch vielleicht auch
ganz schön? Wir empfehlen hiermit noch einmal das John Lennon-Denkmal, und natürlich
das Pferdemuseum. Für den Werderaner endete der Tag zum Glück versöhnlich mit einem
Remis gegen GM Rainer Buhmann. Das lange Warten wurde also belohnt, sozusagen.
Alles wird gut.

Der späte Rundenbeginn war vermutlich von Vorteil für diejenigen Naturen unter uns, die

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