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          jahrelang der bestverleumdete Mann von S. w.        gang, wie ihn selten ein ausübender Artist durch-
          J. Zürich, obschon er mit seiner oft tief eingrei-  gehen darf. Gleich von Anbeginn an erklärte Prä-
          fenden Organisationstätigkeit und seiner rück-      ses Steffen, dass er mit rücksichtsloser Schärfe
          sichtslosen Energie sicher nur das Beste gewollt    gegen Fehlbare jeder Art vorgehen werde, und er
          hat. Der beschränkte Untertanenverstand der  hat während seiner sechsmonatigen Amtsperiode
          konsequenten Brunnenvergifter, konnte sich mit      sein Wort auch getreulich gehalten. Den Hieben
          den gelegentlich notwendigerweise diktatori-        und Anrempelungen, denen bisher der Präses in
          schen Allüren des jungen Präses lange nicht ab-     jeder Sitzung ausgesetzt war, wich er diploma-
          finden. Aber unentwegt schwebte demselben das  tisch dadurch aus, dass er z. B. in dieser Zeit kei-
          lateinische Motto:  „Vivere, mi Lucili, est mili-   ne einzige Vorstandssitzung abgehalten hat, den
          tare“ vor. Ihm blieb die Hauptsache, dass alle      größten Teil der Korrespondenz selbst erledigte,
          unter seiner Oberleitung organisierten, traditio-   und die Anlässe ohne den bisher üblichen, ins
          nellen Anlässe sich eines steigenden finanziellen  einzelne organisierten Apparat durchführte. Es ist
          Erfolges erfreuten und so die Sektions-   und die   klar, dass dieses System auf die Dauer ganz un-
          Sterbekasse regelmäßig kräftig öffneten.            haltbare Zustände mit sich gebracht hätte.
          Persönliche Anödereien blieben dem von den  An bemerkenswerten Ereignissen aus dieser Peri-
          reinsten Absichten besehlten jungen Präses  ode melden die Protokolle nur den Besuch des
          Schultheiss in fast keiner Sitzung erspart.  Vizepräsident Rudi Meyer der Sektion Bern, der

          Glücklicherweise wurde seine vorbildliche           Grüße brachte und viel von dem beider dritten
          Energie unterstützt durch eine ausserordentlich  Auferstehung der Sektion vorhandenen        gesunden
          rasche Anpassungsfähigkeit an jede Situation,  Fundament schwatzte. Na, ein halbes Jahr nach-
          ferner durch eine fabelhafte Begabung im Ex-        her krachte der Neubau denn auch wieder über
          temporieren, sowie eine mit bald trockenem,  seinem gesunden Fundament zusammen. Im No-
          bald beißendem Humor gewürzte rhetorische  vember 1928 durfte Präses Steffen unserem alten
          Schlagfertigkeit.                                   treuen und unermüdlichen Kassierer Ejj. Hans
          Das in S. w. J. organisierte Artistenvölklein  Proneth, das silberne Ehrenkreuz des Verbandes
          muss wirklich in jeder Beziehung eine merkwür-      aufheften, eine Ehrung, die in der Schweiz nur
          dig interessante und sympathische Menschen-         gerade diesem Jj. zuteil wurde, weil er durch sein
          klasse sein, wenn es wahr ist, dass jedes Volk      unentwegtes Festhalten an unseren Grundsätzen
          die Regierung hat, die es verdient. Aber, wie       und Bestrebungen, sowie durch seine zehnjährige
          steter Tropfen auch den härtesten Granit höhlt,     Ausübung des bei uns sehr mühsamen Kassierer-
                                  so wurde Präses Schult-     amtes unauslöschliche Verdienste erworben hatte.
                                  heiss mit der Zeit doch  In der Sitzung vom 21. Dezember 1928 beklagte
                                  verdrießlich und amtsmü-    sich Präses Steffen über Treibereien hinter sei-
                                  de. In der Sitzung vom      nem Rücken gegen seine Person, weshalb er
                                  Juli 1928 trat er aufat-    denn auch, nachdem sein Interimistikum genau
                                  mend sein exponierte        ein Semester gedauert hatte und eine gewisse
                                  Amt an  Jj. Hans Steffen    Beruhigung    der   Gemüter    doch   bemerkbar
                                  ab.                         schien, am 25. Januar 1929 sein Amt der Gene-
                                  Jj. Steffen war, wenn  ralversammlung zur Verfügung stellte. Jj. Stef-
                                  man uns den Ausdruck  fen hat es gut gemeint; in schwerer Zeit ist er
                                  zugute halten will, ein  mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit
          Verlegenheitspräses. Tatsächlich brauchte es  eingesprungen, trotzdem ihm wohl bewusst war,
          ausserordentlich viel Aufopferungswillen und  dass ihm manches abgeht, was ihn zum Führer
          vielleicht eine starke Dosis Naivität, um in die-   des unruhigen Artistenvolkes qualifizieren soll-
          ser glutheißen Kampfatmosphäre sich den von         te, wie z. B. schlanker Redefluss, ein durchdrin-
          allen Seiten niederprasselnden Schlägen auszu-      gendes Organ und Schlagfertigkeit in der Dis-
          setzen. Da in diesem Moment niemand auf die-        kussion. Was er durch sein persönliches Opfer
          ses Amt scharf war, so gab er dem Drängen eini-     unserer Sektion geleistet, wird ihm unvergess-
          ger Freunde nach und nahm an. Erleichtert wur-      lich bleiben.
          de ihm der Entschluss durch seine soziale Stel-     In der oben erwähnten Sitzung vom 25. Januar
          lung und seine absolute Unabhängigkeit in öko-      1929 wurde nach hartem Wahlkampf und trotz-
          nomischer Beziehung. Dazu kam ein Bildungs-         dem die Gegner alle Minen hatten springen las-
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