Page 9 - Festschrift-Aktuell
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Dresden eine erkleckliche Summe. Wo sieht           den Ort anzugeben. Die damaligen Schriftfüh-
           man anderswo, dass die Gräber hingeschiede-         rer brachten es sogar fertig, in den Protokollbü-
           ner Joldjungen auf Vereinskosten durch den  chern ganz einfach nur das Datum der Sitzung
           Friedhofgärtner unterhalten werden ? Wo be-         einzutragen und den Rest dem lieben Gott zu
           steht diese Solidarität ? Auch sonst wurde bei      überlassen! Dagegen wurde aber der Protokoll-
           Todesfällen oder sonstigen Notlagen eifrig ge-      führer Reiter angeödet, weil er ausnahmsweise
           sammelt, um das Elend der Hinterlassenen,  alles Gesprochene zu Protokoll gebracht hatte,
           meist Kinder, zu lindern. Man brachte so recht      was damals schon gewissen Vielrednern ein
           ansehnliche Summen zusammen. Edel sei        der    Dorn im Auge war. Endlose Diskussionen re-
           Mensch, hilfreich und gut. Knurre nicht,      Pu-   sultierten aus dieser Selbstverständlichkeit ge-
           del ! Auf die Anregung von Jj. Bloch wurde im       treuer Berichterstattung. Dass ein Konzert vom
           April 1910 eine, Konferenz mit den hiesigen  28. Juli 1910 einen „ganz netten Überschuss“
           Wirten und Konzertlokal-Inhabern in die Wege  brachte, schien damals verständlich und genüg-
           geleitet, die die Verbesserung der Spielverhält-    te auch anscheinend. Ebenfalls im Juli 1911
           nisse bezweckte Eines der Haupt Traktanden          wird berichtet, dass  „nichts Geschäftliches“
           war ein dritter Spieltag, indem weder ein ledi-     vorlag, dagegen eine ungeheure Schlüssel Ret-
           ger noch viel weniger ein verheirateter Artist      tigsalat gestiftet und  „unter Gaudi“ verzehrt
           von den zwei damaligen Spieltagen Samstag  worden sei. Ganz besonders die Protokolle von
           und Sonntag leben konnte. Ebenso beantragte  Jj. Gante zeichnen sich, neben der angenehmen
           man, die von auswärtigen Gesellschaften zu be-      und sehr leserlichen Schrift, dadurch aus, dass
           zahlenden Patenttaxen wesentlich zu erhöhen,  sie monatelang nach anscheinend getätigter Ge-
           denselben nur einen Spieltag in der Woche zu        nehmigung weder vom Präsidenten noch sogar
           gewähren, den in der Schweiz niedergelassenen  vom Schriftführer unterzeichnet waren. Fasst
           Truppen dagegen drei. Diese Desiderata gingen  einem da nicht der Menschheit ganzer Jammer
           an den Polizeivorstand. Es fanden  in der Folge     an? Immerhin gab es auch seriösere An-
           eine Menge    Kommissionssitzungen statt, über      wandlungen seitens gutmeinender Joldjungen.
           deren Ergebnis leider aus den damals nicht am       Am 17. April 1908 wurde ein Vortrag der
           besten geführten  Protokollen nicht ersichtlich     Nachwelt im Titel erhalten, unter dem Motto:
           ist, ebenso wenig  über das Resultat einer im       Friede, Einigkeit, Zusammenhalten, Fidelitas!
           Mai erfolgten Deputation beim Herrn Polizei-        Im Grunde hätte ja wirklich der Titel allein
           präsidenten     V o g e l s a n g e r .  So  wurde  auch genügt.
           protokolliert,  und   so   wurde  „mit    Dank“  Zur teilweisen Entlastung der damaligen Proto-
           genehmigt!                                          kollführer möge allerdings dienen, dass am 22.
           Nicht besser steht es mit den Protokollen und       Mai 1908 die Sitzung vorzeitig und sehr brüsk
           Berichten über die ungefähr 1910 stattgehabten      geschlossen werden musste, wegen eines vom
           Verhandlungen mit dem Musikerverein im  Jj. Bloch vom Zaun gerissenen Krachs. Dem
           Sihlhof. Die Musiker hatten gewünscht, sich  gleichen Joldjungen, der übrigens äußerst rüh-
           dem Verbande anzuschliessen. Die Protokolle         rig und initiativ veranlagt war, weil bei den un-
           begnügten sich um diese Zeit mit dem Aufzäh-        ausgesetzt beantragten Gründungen von Filial-
           len der aufgefahrenen Runden, dem Ein-       und    verbänden, Gesangs-Sektionen und Velo-Klubs
           Ausreiten fremder Joldjungen und Gäste, der         im Rahmen  der Sektion, immer wieder ein
           Feststellung dass man wieder einmal eine ur-        Aemtli winkte. Diesem Joldjungen gefiel ein-
           gemütliche Fidelitas hatte (begreiflich bei der     mal, d. h. am 31. Juli 1908, die Rolle der belei-
           aufgefahrenen Menge Stoff !), dem aufzählen         digten Leberwurst, weil man ihm -man        höre
           der gesungenen Kantusse, sowie mit oft sehr         und entrüste sich! -versehentlich nicht zu sei-
           peinlichen, ekelerregenden Streitigkeiten, bei  nem Geburtstag gratuliert habe. Es muss auch
           denen man das Hohngelächter der Hölle zu hö-        solche Käuze geben! Es irrt der Mensch, solang
           ren vermeint. Oft begnügte sich der Schrift-        er „strebt!“. In dieser Sturm- und Drangperiode
           führer damit, das bedeutend verkürzte, in den       muss es wirklich schon recht bedenklich benz-
           Verbands-Nachrichten wiedergegebene Proto-          licht ausgesehen haben, indem am 12. Mai 1911
           koll (gedruckt) einzukle ben. Am 8. August          dem Schriftführer der Stoßseufzer entrinnt:
           1909 wurde von einem Gartenfest berichtet,          “Eine Fidelitas kennt man in unserer Sektion
           ohne dass man das Bedürfnis empfunden hätte,  schon lange nicht mehr!“ Diese Klage wirkt
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