Page 7 - Festschrift-Aktuell
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des Variété Hirschen, einen geradezu vorbild-        ne Beträge von 2 oder 4 Jodeln (10 resp. 20
          lichen Präsidenten. Eines der hervorragendsten       Rappen) einzutreiben! Die Gemütlichkeit nahm
          Merkmale der neuen Ära war die Einführung            gelegentlich drastische Formen an, so wenn an
          einer straffen Disziplin in der Beobachtung der      einer auf den 1. August fallenden Sitzung, die-
          Satzungen und Wohlverhaltungsregeln. Unge-           selbe  mir  einem Revolverschuss eröffnet und
          bührliches Verhalten während der Sitzungen           später auch geschlossen wurde. Freude war da
          zog dem Fehlbaren oft Verweisung aus dem             in Trojas Hallen. Jugend ist Trunkenheit ohne
          Saale zu, nachdem ihm das Verbandsabzeichen          Wein. Erlaubt war alles, was nicht verboten
          abgenommen wurde. Ja, es genügte ein Antrag,         war, und trank man auch etwas zuviel, so trank
          um die Streichung eines solchen Mitgliedes zu        man doch nie genug!
          erlangen. Auch Interesselosigkeit,  erkennbar        Es ist ein Kennzeichen wenigstens von Jj. Emil
          durch Schwänzen der Sitzungen, genügte zur           Braun dass die Protokolle regelmäßig so began-
          Streichung kurzerhand. Welche Mahnung an             nen: „P ü n k t l i c h,  w i e  g e w o h n t, er
          die heutige Generation die im weichen Bette          öffnete Präses Braun die Sitzung“, auch wenn
          liegen kann, das ihr die Vorfahren zubereitet!       nur  drei  oder noch weniger Jj. anwesend wa-
          Die geschäftlichen Zusammenkünfte standen            ren.  In  dieser Pünktlichkeit lag das Merkmal
          auch meist unter dem Zeichen  konsequenter,          jener Zeit. Sie trug nicht wenig dazu bei, einen
          feuchtfröhlicher Gemütlichkeit. Diesen Glück-        festen Kern treuer, alter Joldjungen zu schaf-
          lichen von damals schlug keine Stunde. Fasst         fen, die in späteren Jahren, als neue Ideen und
          in jeder Sitzung ergoss sich über die Joldjun-       Initiativen sich Bahn brachen, doch unentwegt
          gen ein Ordensregen; ja es kam vor, dass so-         zur Fahne standen und auch damals          schon,
          eben  Aufgenommene, die dem Eindruck der             wenn etwa die Jahresrechnung mit einem er-
          feierlichen Aufnahme und des geleisteten Jold-       heblichen Defizit abschloss, einfach Zeich-
          jungeneides, im Kreise der neuen Freunde von         nungslisten in der Versammlung zirkulieren
          einem neuen Gefühl des Geborgenseins erfasst,        ließen, mit einem Mindestbetrag von Fr. 10.--,
          Runden auffahren ließen und dafür am Prä-            wobei Widerstrebende gemaßregelt wurden.
          sidium, sowie an den Tafeln der drei Fraktionen      Wo ist sie, diese Zeit der ersten Liebe ?
          gleich eine ganze Reihe von Orden aufgeheftet        Materiell wurde so natürlich wenig pro-
          bekamen, sehr zum Schaden des innern Wertes          duziert, denn ursprünglich war der Zusam-
          derselben. Traf es sich, dass an der betreffen-      menschluss mehr der Geselligkeit wegen er-
          den Sitzung nur ein halbes Dutzend Joldjungen        folgt. Ganz nebenbei kamen die Fragen der
          anwesend war, dann kam der Neuaufgenomme-            gesellschaftlichen und wirtschaftlichen He-
          ne wahrlich billig genug zu seinem Ordens-           bung des Artistenverbandes. Immerhin zeig-
          schmuck. Nur der Lump ist bescheiden! Dass           ten sich schon damals Anzeichen von Nütz-
          der Präsident, resp. Präside, die Verhandlungen      lichkeitsbestrebungen, wenn auch im Embryo-
          jeweils  „mit einem kräftigen Kuhschluck“ er-        nischen Zustande. So kam am 15. Mai 1907
          öffnen musste, sei nur nebenbei erwähnt. Es ist      die erste Anregung zu einem Preisschießen
          vorgekommen, dass der aufgefahrenen Runden           und Kegeln. Der eventuelle Überschuss sollte
          so mächtig viele waren, dass die Sitzungsteil-       für eine Reisekasse dienen, resp. für besonde-
          nehmer noch während zwei Sitzungen nachher           re Zwecke während der Reise. Was damit ge-
          in gänzlicher Durstigkeit übergenug mit der          meint war, steht nirgends geschrieben, lässt
          Vertilgung des verfügbaren Stoffes zu tun hat-       aber interessante Vermutungen zu. Auf jeden
          ten. Das Bier, das nicht getrunken wird, hat sei-    Fall galt  das Ergebnis des guten Gedankens
          nen Beruf verfehlt, so dachten sie sich. Ist es da   vorläufig nur frivolen Zielen, Vergnügungen
          verwunderlich, dass man auch de Institution der      und Lebensgenüssen, die dem manchmal in
          sogenannten  Katersitzungen    hatte ? Die Fide-     glänzendem Elend lebenden Artisten ja so oft
          litas wurde treu gepflegt; sie bot Gelegenheit zu    abgehen. Viel später erst, unter neuer Leitung,
          fleißigen und oft sehr reichen Spenden seitens       kamen die edleren Ziele, zum Durchbruch. Wie
          der Mitglieder und Gäste.  Die  Büttelkasse          guter Wein seine Gärungsperiode durchzuma-
          (Bussenkasse) in diesen Jahren wies manchmal         chen hat, während welcher er der Umgebung
          ganz erstaunliche Ziffern auf, im Gegensatz zu       sich unangenehm bemerkbar macht, so musste
          den 30 iger Jahre, wo selbst bei groben Verstö-      auch der heutige „Sicher wie Jold“ seine tobende
          ßen es dem Büttel oft Mühe genug kostet, klei-       Jugendzeit auskosten, um zu den heutigen, klar
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