Page 253 - Für denkende Menschen
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gen Zentimetern hat, wahrgenommen. Außer-
               halb dieses Zentrums gibt es keine Begriffe
               wie “rechts”, “links”, “vorne”, “hinten”. Das
               heißt: Die Stimme kann uns von nirgendwoher
               erreichen,  es gibt keine Richtung, aus der
               die Stimme kommt.
                   Bei den Gerüchen, die wir riechen, verhält
               es sich ebenso. Keiner der Gerüche kann uns
               aus der Entfernung erreichen. Wir nehmen an,
               dass die Reize, die in unserem Geruchszen-
               trum entstehen, die Gerüche der Gegenstände
               draußen sind. Doch so wie die Erscheinung
               einer Rose im Sehzentrum gebildet wird, ent-
                                                               Die Ergebnisse der modernen Physik
               steht auch der Geruch dieser Rose in ähnlich-
                                                               zeigen, dass das Universum eine An-
               er Weise innerhalb des Geruchszentrums.         sammlung von Wahrnehmungen ist.
                                                               Die folgende Frage erschien auf der
               Draußen gibt es weder eine Rose noch einen
                                                               Titelseite des bekannten amerikani-
               Geruch, der dieser Rose angehört...             schen Wissenschaftsmagazins New
                                                               Scientist, das sich in seiner Ausgabe
                   Denn die “äußere Welt”, die unsere Sinne
                                                               vom 30. Januar 1999 mit dieser The-
               uns vorspielt, ist nichts anderes als die       matik beschäftigte: “Jenseits der
               Ganzheit der elektrischen Signale, die gle-     Wirklichkeit: Ist das Universum in
                                                               Wirklichkeit nur ein Streich unserer
               ichzeitig unser Gehirn erreichen. Unser Gehirn  Nerven und Materie nur ein Schein?”
               interpretiert unser Leben lang diese Signale.
               Wir leben weiter, indem wir diese Signale für das “äußere” Original der Materie
               halten, ohne dass wir merken, wie wir uns irren; und wir irren uns, denn wir
               können durch unsere Sinne die Materie selbst nie erreichen.
                   Was die Signale, die wir als die “Außenwelt” ansehen, interpretiert und ver-
               ständlich macht, ist wiederum unser Gehirn. Betrachten wir unseren Hörsinn:
               Es ist unser Gehirn, das die Schallwellen, die unser Ohr erreichen, in eine
               Sinfonie umwandelt, indem es diese Schallwellen interpretiert. Das heißt, die
               Musik ist eine Wahrnehmung, die unser Gehirn bildet. Wenn wir Farben sehen,
               erreichen eigentlich  nur unterschiedliche Wellenlängen des Lichts unser
               Auge. Was diese unterschiedlichen Wellenlängen in Farben umwandelt, ist
               wieder unser Gehirn. In der “Außenwelt” gibt es keine Farbe. Weder sind
               der Apfel rot und der Himmel blau, noch sind die Bäume grün. Sie besitzen
               diese Farben nur deshalb, weil wir sie so wahrnehmen. Die “Außenwelt” ist
               vollständig abhängig von demjenigen, der sie wahrnimmt.
                   So verursacht zum Beispiel eine kleine Störung in der Retina des Auges die
               Farbenblindheit. Einige Menschen nehmen die Farbe blau als grün, einige die
               rote Farbe als blau wahr und einige nehmen die Farben als unterschiedliche



                                                                              Die wahre Essenz der Materie 251
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