Page 1037 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Fünfunddreißigstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Es ist gefährlich, sich zum Hauptratgeber einer Sache aufzuwerfen,
und zwar um so gefährlicher, je außerordentlicher sie ist.
Wie gefährlich es ist, sich zum Haupt einer Neuerung aufzuwerfen, an
der viele beteiligt sind, und wie schwierig es ist, sie in Gang zu bringen,
sie durchzuführen, und wenn sie durchgesetzt ist, sie zu behaupten, ist
ein zu hoher Gegenstand, dessen Erörterung hier zu weit führte. Ich
spare ihn mir daher für einen passenderen Ort auf und will hier nur von
den Gefahren reden, die ein Bürger in einem Freistaat oder der Ratgeber
eines Fürsten läuft, wenn er an einem wichtigen und schweren Entschluß
so hervorragend teilnimmt, daß er ganz auf seine Rechnung gesetzt wird.
Da nämlich die Menschen alle Dinge nach dem Erfolg beurteilen, wird
alles Schlimme, das daraus entspringt, dem Ratgeber aufgebürdet. Ist der
Erfolg gut, so lobt man ihn, aber der Lohn kommt bei weitem dem
Schaden nicht gleich, wenn die Sache schlimm abläuft.
Als der jetzige Sultan Selim I., S. Buch I, Kap. 1, Anm. 4. der
sogenannte Großtürke (nach dem Bericht einiger Reisenden, die aus
seinen Ländern kommen), im Begriff war, einen Feldzug gegen Syrien
und Ägypten zu unternehmen, ließ er sich von einem seiner Paschas, der
an der persischen Grenze stand, dazu bereden, gegen den Sofi zu ziehen.
Auf diesen Rat hin rückte er mit einem gewaltigen Heere aus, kam in ein
ausgedehntes Land mit vielen Wüsten und wenig Flüssen und fand dort
die gleichen Schwierigkeiten, die einst vielen römischen Heeren den
Untergang gebracht hatten. Er litt darunter so sehr, daß er, obschon er die
Oberhand behielt, durch Hunger und Pest einen großen Teil seiner
Truppen verlor. Voller Zorn auf den Urheber des Rats ließ er ihn
hinrichten.
Man liest von vielen Bürgern, die zu einer Unternehmung rieten und,
als sie schlimm endete, in die Verbannung geschickt wurden. Einige
Bürger setzten in Rom durch, daß ein Konsul aus den Plebejern gewählt
wurde. Es traf sich, daß der erste, der mit dem Heere ins Feld zog,
geschlagen wurde, und gewiß hätten jene Ratgeber dafür büßen müssen,
wären sie nicht durch die Macht der Partei geschützt worden, zu deren
Gunsten der Beschluß durchgesetzt war. Fest steht also, daß die Ratgeber
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