Page 1032 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Was liegt daran, ob die Hühner nicht fressen, ob sie zu langsam aus dem
Käfig kommen, ob ein Vogel zur Unzeit pfeift? Das sind Kleinigkeiten,
aber durch ihre Beachtung haben unsre Vorfahren den Staat groß
gemacht.) Diese Kleinigkeiten haben die Kraft, Einigkeit und Vertrauen
unter den Soldaten zu erhalten, was die Hauptursache jedes Sieges ist.
Allerdings muß damit auch Tapferkeit verbunden sein, sonst nutzen sie
nichts.
Als die Praenestiner gegen Rom im Felde standen, 380 v. Chr.
bezogen sie an der Allia ein Lager an der Stelle, wo die Römer von den
Galliern geschlagen wurden. Das taten sie, um ihren Soldaten Zuversicht
einzuflößen und die Römer durch die Vorbedeutung des Ortes zu
schrecken. Obgleich nun diese Maßregel aus den oben erörterten
Gründen Erfolg verhieß, zeigt doch der Ausgang, daß die wahre
Tapferkeit nicht jeden unbedeutenden Zufall fürchtet. Livius drückt dies
sehr gut durch die Worte des Diktators aus, die er ihm seinem
Reiterobersten gegenüber in den Mund legt: Vides tu, fortuna illos
fretos, ad Alliam consedisse; at tu fretus armis animisque
invade mediam aciem. Livius VI, 29. Der Diktator war Titus Quinctius
Cincinnatus (380 v. Chr.) (Siehst du, sie haben sich, auf das Glück
vertrauend, an der Allia gelagert; du aber, auf Waffen und Mut
vertrauend, greife die Mitte ihrer Schlachtordnung an.) Wahre Tapferkeit,
gute Ordnung und eine aus vielen Siegen geschöpfte Zuversicht können
durch Dinge von geringer Bedeutung nicht aus der Welt geschafft
werden. Leere Einbildung jagt ihnen weder Furcht ein, noch schadet
ihnen augenblickliche Verwirrung. Das sieht man deutlich, als die beiden
Manlius Konsuln gegen die Volsker waren. Sie hatten einen Teil ihrer
Truppen in unvorsichtiger Weise zu Beitreibungen ausgeschickt, und so
wurden zugleich die Ausgeschickten umringt und die im Lager
Zurückgebliebenen eingeschlossen. Aus dieser Gefahr rettete sie nicht
die Klugheit der Konsuln, sondern einzig die Tapferkeit der Soldaten.
Livius bemerkt hierzu: Militum etiam sine rectore stabilis
virtus tutata est. VI, 30 (380 v. Chr.). (Auch ohne Führung schützte
sie die beständige Tapferkeit der Soldaten.)
Nicht übergehen will ich ein Wort des Fabius, Quintus Fabius
Maximus Rullianus rückte 310 v. Chr. in Etrurien ein. Vgl. Buch II, Kap.
33, und Livius IX, 37. um seinem Heere Vertrauen einzuflößen. Er war
in Etrurien eingerückt und hielt dies Vertrauen für um so nötiger, als er
das Heer in ein fremdes Land und gegen neue Feinde geführt hatte. Bei
der Ansprache vor der Schlacht bewies er den Soldaten mit vielen
Gründen, weshalb sie auf Sieg hoffen könnten; dann setzte er hinzu, er
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