Page 1035 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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allein weit unter dem dritten, denn solange du nicht selbst einen Beweis
lieferst, beruht dein Ruf auf der schwankenden Meinung. Das dritte
hingegen, deine eignen Taten, gibt dir von Anfang an einen solchen
Namen, daß du später vieles dagegen tun mußt, um ihn zu verwischen.
Wer daher in einer Republik geboren wird, muß diesen Weg einschlagen
und danach streben, sich gleich zu Anfang durch eine außerordentliche
Handlung hervorzutun. Viele Römer taten dies in ihrer Jugend, indem sie
entweder ein Gesetz einbrachten, das zum allgemeinen Wohl diente, oder
einen Mächtigen wegen Übertretung der Gesetze anklagten, oder etwas
ähnlich Auffallendes und Neues taten, das von ihnen reden machte.
Aber dergleichen ist nicht nur nötig, um sich einen Ruf zu
verschaffen, sondern auch, um ihn sich zu erhalten und zu vergrößern.
Zu diesem Zweck muß man es wiederholen, wie es Titus Manlius sein
Leben lang tat. Denn nachdem er seinen Vater in so tapfrer und
außerordentlicher Weise verteidigt und mit dieser Handlung seinen Ruf
begründet hatte, focht er ein paar Jahre danach mit dem Gallier und
nahm dem Gefallenen die goldne Halskette ab, die ihm den Beinamen
Torquatus verschaffte. 361 v. Chr. Vgl. Livius VII, 10 ff. Nicht genug
damit, ließ er schon in reifen Jahren seinen Sohn hinrichten, weil er sich
ohne Erlaubnis in einen wenn auch siegreichen Kampf eingelassen hatte.
340 v. Chr. Vor der Schlacht am Vesuv. Vgl. Livius VIII, 7. Diese drei
Taten gaben ihm damals einen größeren Namen und machten ihn durch
alle Jahrhunderte berühmter als je ein Triumph und ein Sieg, der ihn oder
andre Römer zierte. Der Grund ist der: an Siegen waren dem Manlius
viele gleich, in diesen besonderen Taten aber sehr wenige oder keiner.
Der ältere Scipio erwarb sich durch alle seine Triumphe nicht so viel
Ruhm wie dadurch, daß er als Jüngling am Tessin seinen Vater
verteidigte und nach der Niederlage bei Cannae kühn, mit entblößtem
Schwert mehrere Jünglinge zu dem Schwur zwang, Italien nicht zu
verlassen, was sie sich schon vorgenommen hatten. Diese beiden Taten
waren der Anfang seines Ruhms und die ersten Stufen zu seinen
Triumphen in Spanien und Afrika. Die hohe Meinung von ihm wuchs
noch, als er in Spanien die Tochter dem Vater und die Gattin dem Manne
unberührt zurücksandte.
Diese Handlungsweise ist aber nicht nur für Bürger nötig, die Ruf
erwerben wollen, um dadurch die höchsten Würden in ihrer Republik zu
erlangen, sondern auch für Fürsten, die sich ihr Ansehen in ihrem Staat
erhalten wollen. Nichts erwirbt ihnen so viel Achtung als ein
ungewöhnliches Werk oder Wort zum Besten der Allgemeinheit, das von
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