Page 1031 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Dreiunddreißigstes Kapitel



                                                  Inhaltsverzeichnis






                  Um eine Schlacht zu gewinnen, muß man dem Heer Vertrauen auf
                                sich selbst und auf den Feldherrn einflößen.


                Um eine Schlacht zu gewinnen, muß man dem Heere solches Vertrauen
                einflößen, daß es durchaus siegen zu müssen glaubt. Sein Vertrauen
                beruht darauf, daß es gut bewaffnet und geordnet ist und daß einer den
                andern kennt. Dies Vertrauen und diese Ordnung ist aber nur bei

                Soldaten möglich, die miteinander geboren und aufgewachsen sind. Der
                Führer muß geachtet sein, so daß das Heer auf seine Klugheit vertraut.
                Das wird immer der Fall sein, wenn es sieht, daß er ein ordentlicher,
                eifriger, mutiger Mann ist, der die Würde seiner Stellung mit Ehren
                behauptet. Dies Ansehen wird er immer behaupten, wenn er seine

                Soldaten für ihre Fehler straft, sie nicht zwecklos anstrengt, ihnen sein
                Wort hält, den Weg zum Siege als leicht darstellt und alles, was von
                ferne gefährlich aussieht, verbirgt und verkleinert. Wird dies wohl
                beobachtet, so trägt es viel dazu bei, daß das Heer Zutrauen hat und in
                diesem Zutrauen siegt.
                     Um ihren Heeren dies Zutrauen einzuflößen, bedienten sich die
                Römer der Religion. Deshalb wurden bei der Wahl der Konsuln, bei der

                Aushebung, dem Ausmarsch der Heere und vor der Schlacht Augurien
                und Auspizien angestellt. Ohne diese hätte ein guter und kluger Feldherr
                nie eine Schlacht gewagt, denn er hätte gemeint, daß er sie leicht
                verlieren könnte, wenn die Soldaten nicht vorher gehört hätten, daß die
                Götter mit ihnen seien. Ein Konsul oder ein andrer Heerführer, der bei
                ungünstigen Auspizien gekämpft hätte, wäre bestraft worden, wie

                Claudius Pulcher. S. Buch I, Kap. 14. Man ersieht das aus der ganzen
                römischen Geschichte, am deutlichsten aber aus den Worten, die Livius
                dem Appius Claudius in den Mund legt, als dieser sich beim Volke über
                die Frechheit der Volkstribunen beschwert und ihm zeigt, daß sie die

                Auspizien und andre religiöse Bräuche entweihten. Eludant nunc licet
                religiones; quid enim interest, si pulli non pascentur, si ex
                cavea tardius exierint, si occinuerit avis? Parva sunt haec,
                sed parva ista non contemnendo maiores nostri maximam hanc
                rempublicam fecerunt. Livius VI, 40 f. Zum Verständnis der Stelle

                vgl. Buch I, Kap. 14. (Mögen sie jetzt immerhin die Religion verspotten!




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