Page 391 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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und Stürmen bis in das höchste Alter herumtreiben lassen, als in jener
stillen Zurückgezogenheit und Muße auf's Angenehmste leben. Ich
unterlasse die Aufzählung unendlich vieler Männer, von denen Jeder an
seinem Theile diesem Staate Heil gebracht hat; auch schließe ich hier die
Aufführung Derjenigen, die der Erinnerung unserer Zeit nicht
unmittelbar nahe liegen, damit nicht Jemand sich beklage, als ob
entweder er oder Einer der Seinigen wäre übergangen worden, und
beschränke mich blos auf die entschiedene Erklärung, daß in der
menschlichen Natur eine solche [innere] Nöthigung zur Tugend, und ein
solcher Drang, das Gemeinwohl zu vertheidigen, liege, daß dieser Trieb
über alle Reize der Sinnenlust und [behaglichen] Muße die Oberhand
gewonnen hat.
2. Dabei genügt es denn freilich nicht, die Tugend, wie irgend eine
Kunstfertigkeit, zu besitzen, ohne sie in's Leben treten zu lassen.
Wiewohl man eine Kunst, auch ohne sie auszuüben, doch wirklich als
ein Wissen besitzen kann; die Tugend aber besteht, ihrem ganzen Werthe
nach, blos in der Ausübung; ihre bedeutendste Ausübung findet sie aber
in der Leitung des Staates, und in der thatsächlichen, nicht blos
besprochenen Ausführung gerade derjenigen Dinge, [über] welche jene
[Philosophen] in ihren Winkeln [ihre Weisheit] erschallen lassen. Denn
über keinen Satz, der nämlich wahr und würdig vorgetragen wird,
sprechen sich die Philosophen aus, der nicht von Jenen zuerst aufgestellt
und begründet worden wäre, welche in den Staaten die
Rechtsverhältnisse festgestellt haben. Denn wo liegt die Quelle der
Frömmigkeit, wo der Ursprung der Gottesverehrung? woher stammt das
Völkerrecht, oder das, was wir das bürgerliche Recht nennen? woher
Gerechtigkeit, Treu und Glauben, [woher] Billigkeit? woher Scheu vor
Unedelm, Enthaltsamkeit, Widerwille gegen Schimpfliches, Streben
nach Lob und Ehrbarkeit? woher [endlich] Muth und Ausdauer bei
Anstrengungen und in Gefahren? Offenbar von Denen, welche dieß [den
Völkern] durch Belehrung angebildet, und einen Theil davon durch Sitte
und Herkommen festgegründet, einen andern durch Gesetze heilig und
unverletzlich gemacht haben. Erzählt man doch bestimmt vom
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Xenokrates, einem ausgezeichnet berühmten Philosophen, er habe auf
die Frage, was denn seine Schüler erzwecken, geantwortet: das, daß sie
Dasjenige aus innerm Triebe thun, wozu sie durch die Gesetze
angehalten würden. Daher überwiegt Der, welcher die Gesammtheit der
Staatsbürger, durch das Machtwort des Gebots und die von den Gesetzen
bestimmte Strafe, zu Dem bringt, wozu die Philosophen durch ihre
Vorstellungen kaum Wenige zu bewegen vermögen, an Werth selbst die
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