Page 393 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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das den feindlichen Geschoßen nicht unterlag, im Kerker habe in den
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                Fesseln aufgeben müssen, die ihm seine Mitbürger angelegt;   wie
                Themistokles aus dem Vaterlande, das er befreit, verstoßen und
                verscheucht, nicht in die von ihm geretteten Seehäfen Griechenlands,
                sondern in die Buchten des Barbarenlandes sich habe flüchten müssen,
                das die Schwere seines Armes gefühlt hatte – doch es fehlt ja nicht an
                Beispielen von Wankelmuth und Grausamkeit der Athener gegen ihre
                geachtetsten Bürger: ein Benehmen, wovon sie die ersten, und recht

                zahlreiche, Beispiele gaben, und das sich, wie Jene sprechen, auch in
                unsern Staat herüber verbreitete, der sonst stets in ernster Haltung nach
                festen Grundsätzen verfuhr. Da führt man die Verbannung des Camillus
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                auf, die Kränkung des Ahala,   den auf den Nasika geworfenen Haß, die
                Vertreibung des Länas, die Verurtheilung des Opimius, die Flucht des
                Metellus, das tiefkränkende Unglück des C. Marius, die Ermordung der
                ersten Männer des Staats, und den Untergang der Vielen, welcher bald
                darauf erfolgt ist. Ja selbst meinen Namen ziehen sie schon in dieses
                Register herein; und, vermuthlich weil sie sich durch meine
                Entschlossenheit und meine bestandenen Gefahren in dem Genusse jenes

                Lebens und ihrer Muße geschützt glauben, bekommt ihre Klage über
                mein Geschick noch einen besondern Anstrich von tiefem Gefühl und
                von Zuneigung. Allein nicht leicht vermöchte ich anzugeben, warum, da
                sie selbst, um sich Kenntnisse zu sammeln, oder ihre Schaulust zu
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                befriedigen, über Meere schiffen.   [Lücke von zwei Seiten.]
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                     4. * * *   ich in öffentlicher Volksversammlung den, vom Volke
                wiederholten, Schwur bei'm Niederlegen meines Consulats ablegte; daß
                [das Vaterland durch mich] gerettet sey; leicht mich über das Bittere und

                Schmerzende aller [vorangegangenen] Kränkungen tröstete. Wiewohl all
                mein Mißgeschick von mehr Ehre als Drangsal begleitet war, und der
                Ruhm, den es mir gewährte, seine Beschwerden weit überwog; ja die
                Freude, von den ächten Vaterlandsfreunden zurückersehnt zu werden,
                größer war, als die Kränkung, die Uebelgesinnten triumphiren zu sehen.
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                Doch, wie gesagt,   hätten sich die Ereignisse auch anders gestaltet, wie
                dürfte ich klagen? wäre mir doch gar nichts Unerwartetes, nichts
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                Härreres, als ich vermuthet hatte,   für meine so einflußreichen Thaten
                zu Theil geworden! Ich war ja, ungeachtet ich entweder in
                genußreicherer Muße, als Andere, leben konnte, weil mir die von Jugend
                auf mit Lust getriebenen mannichfachen Studien die angenehmste
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                Beschäftigung gewährten;   oder, falls ein allgemeines Unglück
                hereingebrochen wäre, nicht ein besonderes schlimmes, sondern ein dem




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