Page 392 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Lehrer, die hierüber ausführliche Vorträge halten. Denn gibt es wohl
                einen so ausgezeichnet werthvollen Vortrag, der einem durch öffentliches
                Recht und Sitte gut eingerichteten Staate vorzuziehen wäre? Und

                wirklich wie ich
                     – – Städte von Macht und gewaltiger Herrschaft, (um mich eines
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                Ausdrucks des Ennius zu bedienen  ) für [wichtiger und] mehr Werth
                hatte, als kleine Dörfer und Castelle; so bin ich der Ansicht, daß
                Diejenigen, welche diesen Städten mit Rath und Ansehen vorstehen,

                gerade an Weisheit weit über Diejenigen zu stellen seyen, die ohne alle
                Theilnahme an öffentlichen Geschäften leben. Und weil uns ein
                besonderer innerer Drang antreibt, die werthvollsten Güter des
                Menschengeschlechts zu vermehren, und wir durch unsere innere und
                äußere Thätigkeit die Menschheit in einen gesichertern und an

                Besitzthum reichern Zustand zu bringen streben, auch die Natur uns
                selbst zu dieser Neigung anspornt; so laßt uns auf dieser Bahn, die stets
                nur die Besten betreten haben, kräftig vorwärts streben, und gar nicht auf
                die Signale Derjenigen achten, die zum Rückzug blasen, um auch
                Diejenigen zurückzurufen, die schon weit voran sind.             45

                     3. Diesen so schlagenden und einleuchtenden Gründen werden von
                Seiten Derjenigen, welche das Gegentheil vertheidigen, erstens die
                Beschwerden entgegengesetzt, denen man sich bei Vertheidigung des
                Vaterlandes unterziehen muß: ein Gegengrund, der bei einem rührigen
                und thätigen Manne nicht viel wiegt, und der nicht blos bei Dingen von
                solcher Wichtigkeit, sondern auch bei weniger bedeutenden

                Bestrebungen oder Dienstleistungen oder gar im Geschäftsleben
                durchaus nicht in Anschlag kommen sollte. Da spricht man auch noch
                von Lebensgefahren, und will durch die Todesfurcht tapfern Männern
                einen Schrecken einjagen, die ihnen als etwas Schimpfliches erscheinen
                muß, da sie mehr Das zu beklagen finden, daß Natur und Alter die
                Lebenskraft verzehrt, als daß ihnen Veranlassung gegeben werde, das
                Leben, mit dem sie doch einmal die Schuld der Natur abtragen müßten,

                gerade dem Vaterlande aufzuopfern. Kommen jene Gegner aber gar auf
                die Zusammenstellung der Unfälle der ruhmwürdigsten Männer und auf
                die Kränkungen zu sprechen, die diese von dem Undank ihrer Mitbürger
                zu erdulden hatten, da glauben sie dem Strome ihrer Beredsamkeit eine
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                recht weite Bahn geöffnet zu sehen.   Da bringen sie denn nicht nur
                jene Beispiele aus der Griechischen Geschichte vor, wie Miltiades, der
                Besieger und Bändiger der Perser, ehe noch die Wunden geheilt waren,
                die er vorne am Körper bei dem ruhmvollsten Siege erhalten, sein Leben,






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