Page 757 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Sechsundzwanzigstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Ein neuer Fürst muß in einer Stadt oder in einem Lande, das er
erobert hat, alles neu einrichten.
Jeder, der Fürst einer Stadt oder eines Staates wird, zumal wenn er nur
schwach Fuß gefaßt hat und keine Monarchie oder Republik gründen
will, hat kein besseres Mittel, sich auf dem Thron zu behaupten, als alles
im Staat neu einzurichten, wie er ja selbst ein neuer Fürst ist. Er muß in
den Städten neue Obrigkeiten mit neuen Namen, neuen Befugnissen,
neuen Männern einsetzen, muß die Armen reich machen wie David, als
er König wurde, qui esurientes implevit bonis et divites
dimisit inanes. (Der die Hungernden mit Gütern überhäufte und die
Reichen leer ausgehen ließ.) Er muß neue Städte erbauen, alte zerstören,
die Einwohner von Ort zu Ort versetzen und überhaupt nichts im Lande
auf seinem Fleck lassen. Jeden Rang, jedes Amt, jeden Stand, jeden
Reichtum muß der Besitzer ihm verdanken. Zum Vorbild kann er sich
Philipp von Mazedonien, den Vater Alexanders, nehmen, der auf diese
Weise aus einem kleinen König zum Herrn Griechenlands wurde. Sein
Geschichtsschreiber sagt, er trieb die Menschen von Land zu Land, wie
die Hirten ihre Herden.
Das sind grausame Mittel! Sie widersprechen nicht nur dem
christlichen, sondern jedem menschlichen Gefühl. Jeder Mensch sollte
sie fliehen und lieber im Bürgerstand bleiben, als zum Verderben so
vieler Menschen die Krone zu tragen. Wer aber den ersten Weg zum
Guten nicht einschlagen will, der muß, um sich zu behaupten, zu diesem
schlimmen Mittel greifen. Die Menschen schlagen freilich gewisse
Mittelwege ein, und das sind die schädlichsten, denn sie verstehen weder
ganz gut noch ganz böse zu sein. Das soll im nächsten Kapitel an einem
Beispiel gezeigt werden.
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