Page 758 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Siebenundzwanzigstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Die Menschen verstehen sehr selten, ganz gut oder ganz böse zu sein.
Papst Julius II. hatte allen kleinen Fürsten, die Teile des Kirchenstaates
besaßen, den Untergang geschworen. Als er 1506 nach Bologna zog, um
die Bentivogli zu vertreiben, S. Lebenslauf, 1506. die dort hundert Jahre
geherrscht hatten, wollte er bei dieser Gelegenheit auch den Tyrannen
von Perugia, Giovanni Pagolo Baglioni, 1471-1520. beseitigen. Als er
mit dieser allgemein bekannten Absicht vor Perugia ankam, wartete er
nicht etwa sein Heer ab, das ihn beim Einzug in die Stadt geschützt hätte,
sondern er zog ohne Bedeckung ein, obwohl Giovanni Pagolo in der
Stadt zahlreiches Kriegsvolk zu seiner Verteidigung zusammengerafft
hatte. Von dem Ungestüm hingerissen, mit dem er alle Dinge betrieb,
lieferte sich der Papst also, nur von seiner Leibwache begleitet, in die
Hände des Feindes, führte ihn dann mit sich und ließ einen Statthalter für
die Herrschaft der Kirche zurück. Allen verständigen Männern im
Gefolge des Papstes fiel dessen Verwegenheit und die Feigheit Giovanni
Pagolos auf. Sie begriffen nicht, warum dieser seinen Feind nicht zu
seinem ewigen Ruhme mit einem Schlag niederwarf, noch sich mit
Beute belud, da ja alle Kardinäle mit ihren Kostbarkeiten den Papst
begleiteten. Man konnte auch nicht glauben, er hätte es aus Edelmut
unterlassen, oder sein Gewissen hätte ihn zurückgehalten; denn in der
Brust eines Verbrechers, der mit der eignen Schwester Blutschande trieb
und aus Herrschsucht seine Vettern und Neffen ermordet hatte, konnte
keine fromme Scheu mehr walten. Man muß also daraus schließen, daß
die Menschen weder in Ehren böse, noch vollkommen gut sein können.
Liegt in einer schlechten Handlung Größe, ist sie in gewisser Hinsicht
hochherzig, so verstehen sie sie nicht auszuführen.
So achtete Giovanni Pagolo Blutschande und offenkundigen
Verwandtenmord für nichts, hatte aber nicht das Geschick, oder besser
gesagt, nicht den Mut, bei der rechten Gelegenheit eine Tat auszuführen,
bei der jedermann seinen Mut bewundert und durch die er seinen Namen
unsterblich gemacht hätte. Denn er wäre der erste gewesen, der den
Prälaten gezeigt hätte, wie wenig man sich aus Leuten zu machen
braucht, die wie sie leben und regieren, und die Größe seiner Tat hätte
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