Page 752 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Dreiundzwanzigstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Man darf nicht sein ganzes Glück in Gefahr bringen, ohne dabei die
gesamten Streitkräfte einzusetzen. Deshalb ist die Besetzung der
Pässe oft schädlich.
Es galt nie für weise, sein ganzes Glück in Gefahr zu bringen, ohne dabei
alle Streitkräfte einzusetzen. Dies kann auf manche Art geschehen. Die
eine ist die des Tullus und Mettius, die das ganze Schicksal ihres
Vaterlandes und die Tapferkeit so vieler Männer, die sie in ihren Heeren
hatten, der Tapferkeit und dem Glück dreier Bürger, also einem ganz
kleinen Bruchteil der beiderseitigen Streitkräfte anvertrauten. Sie sahen
nicht ein, daß sie damit fast die ganze Mühe ihrer Vorgänger vereitelten,
dem Staat eine solche Verfassung zu geben, daß er sich lange frei
erhalten und die Bürger seine Freiheit verteidigen konnten; denn es hing
ja nur von ganz wenigen ab, diese Freiheit zu vernichten. Die beiden
Könige konnten also nicht übler beraten sein.
In den gleichen Fehler verfällt man fast immer, wenn man beim
Anrücken des Feindes den Plan faßt, die schwierigen Punkte zu halten
und die Pässe zu besetzen. Dieser Entschluß ist fast immer von Nachteil,
es sei denn, daß man an einem schwierigen Punkt seine ganze Streitkraft
bequem aufstellen kann. Nur dann ist ein solcher Entschluß zu fassen. Ist
aber die Gegend unwegsam, und kann man nicht seine ganze Streitkraft
dort halten, so ist der Entschluß schädlich. Meine Meinung gründet sich
darauf, daß Völker, deren Land von Alpenketten und Gebirgen
umschlossen ist, beim Angriff mächtiger Feinde nie versucht haben, den
Feind auf den Pässen und in den Bergen zu bekämpfen. Vielmehr traten
sie ihm jenseits derselben entgegen, oder wenn sie das nicht wollten,
erwarteten sie ihn diesseits der Berge in fruchtbaren, nicht bergigen
Gegenden. Der Grund war der oben genannte. Denn zur Besetzung von
Bergpässen kann man nicht viel Leute verwenden, teils weil sie nicht
lange dort leben können, teils weil diese Engen nur wenig Menschen
fassen. Man kann also einem zahlreich anrückenden Feinde keinen
Widerstand leisten. Dem Feinde aber ist es ein leichtes, in großen Haufen
zu kommen, denn er will ja hindurch und nicht stehenbleiben. Der
Verteidiger aber kann ihn nicht mit starken Kräften erwarten, denn er
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