Page 751 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Zweiundzwanzigstes Kapitel



                                                  Inhaltsverzeichnis






                     Betrachtungen über die drei römischen Horatier und die drei
                                               albanischen Curiatier


                König Tullus von Rom und König Mettius von Alba kamen überein, daß
                das Volk des andern Herr sein sollte, dessen oben genannte drei Männer
                den Sieg davontrügen. Es fielen alle albanischen Curiatier, am Leben
                blieb einer der römischen Horatier, und somit war der albanische König

                Mettius mit seinem Volke den Römern untertan. Als der siegreiche
                Horatier bei seiner Rückkehr nach Rom seiner Schwester begegnete, die
                mit einem der gefallenen drei Curiatier verlobt war und den Tod ihres
                Gatten beweinte, erschlug er sie. Wegen dieses Verbrechens wurde er vor
                Gericht gestellt und nach langem Streit freigesprochen, mehr auf die

                Bitten seines Vaters hin als wegen seiner Verdienste. Livius I, 24 ff.
                     Dazu ist dreierlei zu bemerken: Erstens soll man nie mit einem Teil
                seiner Streitkräfte sein ganzes Schicksal aufs Spiel setzen. Zweitens
                werden in einem wohlgeordneten Staat niemals Verbrechen durch
                Verdienste aufgewogen. Drittens ist es nie klug, Verträge zu schließen,
                deren Nichterfüllung man fürchten kann oder muß. Denn dienstbar zu
                sein, ist für eine Stadt von solcher Bedeutung, daß man niemals

                annehmen durfte, einer jener Könige oder eines der beiden Völker werde
                sich damit zufriedengeben, daß drei ihrer Bürger sie in Dienstbarkeit
                gebracht hatten. Auch Mettius wollte das nicht. Zwar erklärte er sich
                gleich nach dem Siege der Römer für überwunden und gelobte dem
                Tullus Gehorsam, aber bei dem ersten gemeinsamen Feldzug gegen Veji
                suchte er ihn zu hintergehen, da er, wenn auch zu spät, die

                Unbesonnenheit seiner Handlungsweise einsah. Soviel von dem dritten
                bemerkenswerten Punkt; über die beiden ersten in den zwei folgenden
                Kapiteln.


















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