Page 781 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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kein Bürger mehr als 500 Morgen Staatsländereien haben. Er wurde 131
vom Senat ermordet. Sein jüngerer Bruder Gajus setzte den Kampf fort,
wurde aber vom Volk im Stich gelassen und fand 121 einen gewaltsamen
Tod. Da nun gut eingerichtete Republiken den Staat reich und die Bürger
arm erhalten müssen, so hatte dies Gesetz in Rom offenbar einen
Mangel. Denn entweder war es ursprünglich nicht so abgefaßt, daß es
nicht alle Tage geändert zu werden brauchte, oder es wurde so lange
hinausgeschoben, bis sein Hervorziehen Anstoß erregte, oder es war
ursprünglich gut, wurde aber durch die Anwendung verdorben. Wie dem
aber auch sei, sobald von diesem Gesetz in Rom die Rede war, ging alles
in der Stadt drunter und drüber.
Das Gesetz hatte zwei Hauptpunkte. Der eine bestimmte, daß kein
Bürger mehr als soundso viel Ackerstücke besitzen durfte; der zweite,
daß das dem Feinde abgenommene Land unter das römische Volk verteilt
wurde. Es verletzte also die Patrizier doppelt, denn wer mehr Güter
besaß, als das Gesetz erlaubte, und das waren meistenteils die Patrizier,
verlor sie, und zweitens, wenn die Ländereien der Feinde unter die
Plebejer verteilt wurden, wurde den Patriziern die Möglichkeit
genommen, sich zu bereichern. Da es nun mächtige Personen waren, die
durch dies Gesetz verletzt wurden, und da sie durch seine Bekämpfung
das öffentliche Wohl zu verteidigen glaubten, so geriet, wie gesagt,
jedesmal, wenn man darauf zurückkam, ganz Rom drüber und drunter.
Die Patrizier schoben es mit Geduld und Geschicklichkeit immer wieder
hinaus, indem sie ein Heer ins Feld schickten oder dem Tribunen, der es
einbrachte, einen andern entgegenstellten oder zum Teil nachgaben oder
eine Kolonie nach dem zu verteilenden Landstück schickten. Das war
z. B. bei Antium der Fall, wohin man aus Rom eine Kolonie sandte, als
der Streit über das Gesetz ausbrach. Livius gebraucht hier einen
merkwürdigen Ausdruck. Er sagt, es hätten sich in Rom nur wenige
gemeldet, die zu jener Kolonie gehen wollten; soviel mehr hätte das Volk
dazu geneigt, in Rom etwas zu begehren, als es in Antium zu besitzen.
Livius III, 1. So dauerte die Gärung wegen dieses Gesetzes eine Zeitlang
fort, bis die Römer ihre Waffen bis an die Grenzen Italiens oder darüber
hinaus trugen. Nach dieser Zeit schien sie sich gelegt zu haben, denn die
Äcker, die die Feinde Roms besaßen, waren nun den Augen des Volkes
entrückt und in Gegenden, wo es ihm nicht mehr leicht war, sie zu
bebauen; es begehrte sie also nicht mehr so sehr. Auch straften die
Römer ihre Feinde nicht mehr durch den Verlust ihrer Ländereien, und
wenn sie einmal eine Stadt ihres Gebietes beraubten, so schickten sie
Kolonien hin.
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