Page 8 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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auch des Simonides Ausspruch, Gerechtigkeit sei, das Geschuldete zu
                erstatten (c. 6), wird widerlegt, da man dann nur den Freunden Gutes,
                den Feinden aber Schlechtes schulde, und somit nur im Kriege es

                Gerechtigkeit gebe, und im Frieden nur das gebrauchlose Aufbewahren
                hinterlegter Schätze als Gerechtigkeit übrig bliebe (c. 7), ja so gar an die
                Gewandtheit im Aufbewahren sich jene im Stehlen anschließe; ferner
                auch darum, weil erst noch zu unterscheiden sei, wer wirklich Freund
                oder Feind sei (c. 8), und dem wirklichen Feinde gegenüber eine solche
                Uebung der Gerechtigkeit nicht bessernd, sondern eher verschlechternd
                wirke, und daher zumeist Sache der Gewaltthätigen sei (c. 9). Nachdem

                hierauf Thrasymachos in schroffen Ausdrücken sich gegen jede
                Definition der Gerechtigkeit verwahrt, welche ihm eine bloß relative
                scheint, wird ihm bedeutet, daß man ja doch zur Erklärung Begriffe und
                Worte beiziehen müsse, welche in dem Ausdrucke der Gerechtigkeit
                enthalten sind (c. 10 und 11), und da nun Thrasymachos seine Definition
                ausspricht, gerecht sei das dem Stärkeren Zuträgliche, und dieß in

                staatlichem Sinne gemeint sein soll (c. 12), so wird zunächst darauf
                hingewiesen, daß der erzwungene Gehorsam der beherrschten
                Schwächeren auch bestehen müsse, wenn der Stärkere aus Irrthum etwas
                ihm Schädliches gebietet (c. 13), sodann daß zwischen scheinbar und
                wirklich Zuträglichem zu unterscheiden sei, und daß bei der Annahme,
                der wahre Herrscher verfehle sein Zuträgliches nie (c. 14), eben doch
                sich ergebe, daß er nach dem den Beherrschten Zuträglichen strebe, so

                wie jede Kunst, deren die ihr unterworfenen Dinge bedürfen, ja nur für
                diese Dinge, nicht aber für sich selbst das Zuträgliche suche (c. 15).
                Nachdem aber hierauf Thrasymachos in rhetorischer Darlegung von dem
                Vortheile des Stärkeren und Ungerechten gesprochen (c. 16), wird
                bemerkt, daß hiebei der Gewalthaber mit dem Gelderwerber verwechselt
                sei, während doch die Kunst des Lohnerwerbens überhaupt eine eigene

                Kunst für sich sei (c. 17 u. 18), und auch eigentlich der höchste Lohn des
                Herrschenden nur in der Vermeidung der höchsten Einbuße bestehe,
                welche darin läge, wenn er von einem Schlechteren beherrscht würde (c.
                19), wenn ferner hiebei die Ungerechtigkeit als Weisheit und
                Vortrefflichkeit und Stärke bezeichnet werde, so ergebe sich zunächst
                bezüglich der ersteren zwei das Gegentheil; denn da der Gerechte es nur
                dem Ungerechten zuvorthun will, der Ungerechte aber sowohl dem

                Gerechten als auch dem Ungerechten, und zugegeben sei, daß der
                Wissende und Treffliche es dem Untüchtigen zuvorthun wolle, der
                Unwissende aber sowohl anderen Unwissenden als auch den Wissenden,
                so stehe ja der Wissende dem Gerechten und der Unwissende dem





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