Page 10 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 10
nemlich vom Staate, und zwar ist hiebei die Entstehung des Staates zu
betrachten (c. 10).
Der Staat entsteht aus der Hülfsbedürftigkeit der Einzelnen; die
äußeren Lebensbedürfnisse führen zunächst eine geringe Zahl
zusammen, wobei Arbeitstheilung das Beste ist; so entsteht eine
Mehrzahl von Gewerben (c. 11) und hieraus, da der Staat sich nicht
selbst genügt, Handel um Tausch und Geld, wo noch bloß die
einfachsten nothwendigen Bedürfnisse befriedigt werden (c. 12); so wie
man aber über diese Gränze hinausgeht (c. 13), stellt sich Ueppigkeit und
sämmtlicher Luxus ein, und das Land reicht nicht mehr hin; es entsteht
daher Eroberungssucht und ein Kriegszustand, so daß Wächter nöthig
sind, welche jedoch gleichfalls nur diese Beschäftigung ausschließlich
betreiben (c. 14); dieselben sind wie ein Haushund sanft gegen Bekannte
und muthig nach Außen (c. 15), und da die Vereinigung dieser
Gegensätze auf Kenntniß und Nichtkennen beruht, also der
Weisheitsliebe entspricht, so muß es eine Bildung und Erziehung der
Wächter geben (c. 16). Die Bildung ist theils gymnisch theils musisch,
und da der Anfang der letzteren in mündlichen Aussprüchen und
erdichteten Reden beruht, so muß der Staat ein Aufsichtsrecht über die
Dichter üben (c. 17), damit die Gottheit nur als eine gute, nicht aber als
böswillige Urheberin des Schlimmen (c. 18 u. Anf. v. 19), noch als
zauberisch täuschend, sondern als unwandelbar und wahrhaftig und
truglos dargestellt werde (c. 19–21), so wie auch daß, um den Wächtern
keine Todesfurcht einzuflößen, nicht die Schrecknisse des Hades
vorgeführt oder Klagen über Todesfälle ausgesprochen werden (drittes
Buch, c. 1 u. 2); in gleicher Weise soll auch nicht zu viel Lachen erregt,
und überhaupt nur die Liebe zur Wahrheit gefördert werden, und um der
Mäßigkeit und Besonnenheit willen soll weder ein Streben nach Lohn
noch Rachsucht von den Dichtern dargestellt werden; bezüglich der
menschlichen Verhältnisse aber ist von Dichtern stets eben nur die
Gerechtigkeit zu erwähnen (c. 3–5). Was bei den dichterischen
Produkten die Form des Aussprechens betrifft, so ist dieselbe entweder
Erzählung oder Nachahmung oder eine Verbindung beider (c. 6); und da
auch im Nachahmen jene Arbeitsteilung gilt (c. 7), so wird der Wächter
nur das ihm Geziemende nachahmen, und überhaupt der Gute nur das
Gute (c. 8), der Schlechte hingegen Alles; so bleibt Ersterer einfach,
Letzterer aber wird bunt und vielfach; das Beste ist die unvermischte
Darstellung des Guten, den Reiz des Bunten aber schicke man mit Dank
fort (c. 9). Das Gleiche gilt auch bezüglich der Musik, wo mit
Vermeidung der weichen und üppigen Tonarten nur die dorische und
9