Page 14 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ergreift, so auch die Liebe zur Weisheit (c. 19); hiebei aber ist zu
                unterscheiden das Streben nach der vielheitlichen Erscheinung, nemlich
                das bloße Meinen, und die Einsicht in die einheitliche Idee; das Wissen

                nemlich bezieht sich auf das Seiende, sowie das Nichtseiende das nicht
                Wißbare ist (c. 20); hingegen was zwischen Seiendem und
                Nichtseiendem liegt, ist Gegenstand der Meinung, und dieses Mittlere ist
                eben die in der Vielheit vereinzelte Idee, da jedes Einzelne zugleich ist
                und nicht ist; im Gegensatze hievon aber erfaßt der Weisheitsliebende
                die Idee selbst (c. 21 und 22), und er allein ist daher fähig, die Einheit im
                Staate zu bewahren, so daß er der Herrscher und Führer desselben sein

                muß ( sechstes Buch, c. 1); er allein ja besitzt die nöthigen Geistesgaben
                und Großartigkeit des Sinnes und wird in sanfter Harmonie die vier
                obigen Arten der Trefflichkeit üben (c. 2). Wird nun dieß wohl
                zugegeben, aber eingewendet, die Mehrzahl der Weisheitsliebenden sei
                schlecht, und die geringe Zahl der Uebrigen jedenfalls unbrauchbar, so
                kann man den Staat füglich mit einem Schiffe vergleichen, in welchem

                die Führung des Steuerruders Gegenstand schlechter Parteibestrebungen
                ist, und die Ursache der Unbrauchbarkeit des Wissenden nicht in diesem,
                sondern in den Uebrigen liegt (c. 3 u. 4); nemlich ebenso befindet sich
                der Weisheitsliebende in einer schlechten Umgebung und wird durch sie
                selbst verschlechtert, da die gewöhnlichen schlechten Ansichten über
                den Werth der Dinge ihm durch Erziehung und Leben aufgedrungen
                werden (c. 5 u. 6), und nur ein wahrhaft göttlicher Einfluß könnte ihn

                schützen; denn während Alle dem Unthiere der Menge fröhnen, wird
                auch er von ihnen im Bestreben nach Großartigem fortgerissen, und hört
                zuletzt auf, ein Weisheitsliebender zu sein (c. 7 u. 8); so wird die Stelle
                des Weisheitsliebenden verwaist und von Nichtswürdigen ausgefüllt,
                welche dem ungebildeten Emporkömmlinge im bräutlichen Gewande
                gleichen (c. 9); ja nur durch Zurückgezogenheit von staatlichen Dingen

                kann die Reinheit des Wissens bewahrt werden (c. 10). Somit müßte es
                für den Weisheitsliebenden einen ihm entsprechenden Staat geben; aber
                andrerseits müßte auch die Weisheitsliebe nicht bloß in der Jugend
                gekostet und dann weggeworfen werden, sondern ihr Betrieb im Alter
                sich steigern (c. 11). Allerdings liegt noch kein Beispiel vor, daß ein
                Weisheitsliebender ein Herrscher gewesen sei; aber wenn es einträte,
                würde der Tadel der Weisheitsliebe schwinden (c. 12), sobald die

                Menschen erfahren, daß der Weisheitsliebende wirklich Gutes will; denn
                ein Solcher würde nach vorhergegangener Reinigung des Staates die
                Umrisse desselben durch eine Mischung des Göttlichen und
                Menschlichen entwerfen (c. 13). An der Möglichkeit, daß durch einen





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