Page 17 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Reiche und Arme, gespalten, welche mit allen Mitteln sich gegenseitig
                bekämpfen (c. 6 und 7). Der ihm entsprechende Einzeln-Mensch wendet
                sich aus Furcht vor äußeren Nachtheilen dem Begehrlichen zu und wird

                durch die zur Ansammlung von Schätzen angewendeten Mittel
                gefährlich, entbehrt aber auch jeden Sinnes für wahren Ruhm (c. 8 u. 9).
                Der Uebergang von da in die Demokratie tritt ein, wenn durch
                Unersättlichkeit der Einen die Andern verarmt sind und verletzt werden,
                worauf, da beiderseits es an Kraft zum Guten fehlt, bei dem leichtesten
                Anstoße von Außen die Armen die Oberhand gewinnen (c. 10); ein
                solcher Staat bewegt sich in dem bunten Belieben der Einzelnen und

                entbehrt des staatlichen Pflichtgefühles und vermag keinen eigentlich
                Tüchtigen zu wählen (c. 11). Der ihm entsprechende Einzeln-Mensch
                wendet sich bereits auf Luxus-Bedürfnisse, zumal durch Beihülfe
                äußerer Einflüsse, und gelangt hiedurch zu einer Verrückung aller
                Begriffe und einer inneren Anarchie, welche in dem Eintagsleben der
                Vergnügungen und des Beliebens erscheint (c. 12 und 13). Von hier aus

                findet endlich der Uebergang in die Gewaltherrschaft statt, indem durch
                Unersättlichkeit des Beliebens alle Gränzen überschritten werden und
                diejenigen, welche herrschen sollten, sich zu Sklaven Anderer
                herabwürdigen (c. 14); indem nemlich die Selbstsüchtigen und die
                Klasse der Besitzenden und die Masse des Volkes sich feindlich
                gegenüberstehen, das Volk aber von dem durch die Gewinnsüchtigen
                ihnen mitgetheilten Raube abhängt, entsteht Kampf und Argwohn gegen

                die Besitzenden, und das Volk stellt Einen aus seiner Mitte an die Spitze,
                welcher, sobald er Menschenblut gekostet, zum Wolfe wird und als
                Gewaltherrscher eine Leibwache verlangt (c. 15 u. 16); dieser Herrscher
                eines Staates ist Anfangs noch mild, hält aber das Volk um der
                Abhängigkeit willen im Kriegszustande, dann aber verfeindet er sich mit
                den Unabhängigen und Tapfern und befreundet sich mit den schlechten

                Sklaven, welche er freiläßt und in seine Umgebung einreiht, was dann
                selbst von Dichtern gepriesen wird; zu seinem Aufwande schont er nicht
                die Tempel und zuletzt nicht das Volk selbst, welches sein eigener Vater
                ist, und widersetzt sich ihm dieser, so schlägt er ihn (c. 17–19). Der
                diesem schlechtesten Staate entsprechende Einzeln-Mensch entsteht,
                wenn die nächtlichen Begierden, welche nur durch Geistesthätigkeit
                gebändigt werden, sich einstellen, und seine Seele sich mit dem

                Wahnsinne der Leidenschaften umgibt ( neuntes Buch, c. 1 und 2); in
                dem Bestreben, diese zu befriedigen, knechtet er durch List und Gewalt
                seine Eltern, stürzt sich dann auf fremdes Gut, und wird fortan von den
                nächtlichen Begierden auch bei Tage beherrscht, worauf er entweder aus





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