Page 19 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Wissen sich vor den Trugbildern der Poesie bewahrt, welche eben wegen
dieses Trügerischen aus dem Staate zu verbannen ist. Nemlich da es von
Allem Ideen gibt, und die Dinge Abbilder derselben sind, so verfertigt
jede nachahmende Kunst nur wieder Abbilder jener Abbilder und steht
also in dritter Linie von dem wahren Sein entfernt, durch den Schein die
Unwissenden bezaubernd (zehntes Buch, c. 1 u. 2); hätten die Dichter
wirklich ein Wissen, so würden sie doch lieber den höheren Ruhm
einärndten, als bloß Nachahmer zu sein; auch ist durch Homer weder ein
Staat noch eine Lebensweise, wie etwa von Pythagoras, gestiftet (c. 3),
und, hätte er Ersprießliches geleistet, so hätte man ihn nicht so
herumwandern lassen. So haben die Dichter kein Wissen, sondern nur
eine bestechende Einkleidung; denn von Allem ja, was verfertigt wird,
hat nur der Gebrauchende das Wissen, und von ihm hängt der Verfertiger
ab; der bloße Nachahmer hingegen haftet am Scheine (c. 4). So dient die
Poesie dem schlechteren Theile des Menschen, denn gerade von dem
bloßen Scheine soll uns das Denken befreien, und in allen Verhältnissen
hält uns nur das Wissen aufrecht, während wir innerlich in ein Besseres
und ein Schlechteres gespalten sind; denn die Vernunft ist das Einfache
in uns, wohingegen die Poesie auf die weichliche Seite wirkt, um der
Menge zu gefallen (c. 5 u. 6); ja sie verführt selbst die Besseren dazu,
dasjenige an Anderen zu loben, was sie an sich selbst tadeln, und in
solcher Weise wirkt sie nachtheilig sowohl bezüglich des Mitleides als
auch des Lachens. Darum ist alle auf die Affekte wirkende Poesie zu
verbannen, und nur Hymnen dürfen zugelassen werden (c. 7) So ist auch
der Streit zwischen Poesie und Weisheitsliebe schon alt, und erstere kann
sich nur durch den wahren Nutzen vertheidigen, und wo sie diesen nicht
bringt, ist sie aufgegeben wie eine gefährliche Liebschaft; der wahre
Nutzen aber und das wahre Glück liegen nur im Wissen und in der
Gerechtigkeit (c. 8).
Dieß Alles aber ist noch nicht der höchste Grad des Glückes des
Gerechten; denn die Seele ist ja auch unsterblich; nemlich wenn etwas zu
Grunde geht, kann es nur durch das ihm eigenthümliche Schlechte zu
Grunde gehen; aber das der Seele einwohnende Schlechte vernichtet
dieselbe ja nicht, wie etwa den Leib (c. 9), und durch das den Leib
betreffende Schlechte wird die Seele nicht geändert. Wäre die
Schlechtigkeit der Seele ihr tödtlich, so müßte die Schnelligkeit des
Eintrittes des Todes proportionirt mit dem Grade der Schlechtigkeit sein,
und auch außerdem wäre der Tod für den Schlechten ein Gewinn (c. 10).
Somit ist die Seele unsterblich, und muß in ihrer Reinheit von irdischen
Schlacken und in ihrer Verwandtschaft mit Gott betrachtet werden (c.
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