Page 24 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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wilden Gebieter. Sehr richtig also schien mir sowohl damals Jener dieses
                gesagt zu haben, als auch jetzt scheint es mir nicht weniger richtig zu
                sein; denn ganz und gar ja entsteht in dem Greisenalter bezüglich

                derartiger Dinge viel Friede und Freiheit; nemlich wann die Begierden
                uns zu spannen aufgehört und überhaupt nachgelassen haben, entsteht
                ganz und gar jenes, was Sophokles sagte: es ist nemlich möglich, von
                sehr vielen rasenden Gebietern los zu sein. Aber sowohl betreffs dieser
                Dinge als auch betreffs des Verhältnisses zu den Angehörigen gibt es
                irgendeine Ursache, und zwar ist diese nicht das Greisenalter, o Sokrates,
                sondern der Charakter der Menschen; wann sie nemlich ordentlich und

                zufrieden sind, ist auch das Greisenalter nur in mäßigem Grade lästig;
                wann aber nicht, dann, o Sokrates, ergibt sich für einen Derartigen
                sowohl das Greisenalter als auch die Jugend als etwas Schwieriges. –
                     4. Und ich nun freute mich über ihn, wie er dieses sagte, und indem
                ich den Wunsch hatte, daß er noch ferner spreche, suchte ich ihn hiezu zu
                veranlassen und sagte: Ich glaube, o Kephalos, daß die Meisten, wann du

                solches sagst, es nicht willig von dir annehmen, sondern der Ansicht
                sind, daß wohl du das Greisenalter leicht ertragest, nicht wegen deines
                Charakters, sondern weil du großes Vermögen besitzest, denn von den
                Reichen sagt man, daß sie gar viele Beschwichtigungsmittel haben. – Du
                sprichst wahr, erwiderte er; sie werden es wenigstens nicht willig
                annehmen, und sie bringen allerdings ihrerseits etwas vor, aber nicht so
                Bedeutendes, als sie glauben, sondern das Wort des Themistokles ist

                ganz richtig, welcher jenem SeriphierDie Bewohner von Seriphus, einer
                der cycladischen Inseln, scheinen überhaupt schon zur Zeit des
                Aristophanes (s. dessen Acharn. V. 516) wegen der Unbedeutendheit
                ihres Ländchens zur Zielscheibe des Spottes geworden zu sein; warum
                eigentlich, wissen wir nicht; denn die Insel war wohl unfruchtbar, aber
                besaß sehr bedeutende Bergwerke; auch hielten sich die Seriphier in den

                Perserkriegen höchst wacker. auf die Schmähung, daß er nicht wegen
                seiner selbst, sondern nur wegen seiner Vaterstadt ein berühmter Mann
                sei, antwortete, daß weder er selbst, wenn er ein Seriphier wäre, einen
                Namen bekommen hätte, noch Jener, wenn er ein Athener wäre. Auch
                für diejenigen denn nun, welche nicht reich sind, ihr Greisenalter aber
                schwer ertragen, ist eben der nemliche Ausspruch ganz richtig, daß
                weder der Süchtige gar leicht das Greisenalter verbunden mit Armuth

                ertragen dürfte, noch der Untüchtige, wenn er reich geworden, je in sich
                selbst zufrieden sein wird. – Hast du aber, o Kephalos, sagte ich, von
                demjenigen, was du besitzest, den größeren Theil schon überkommen
                oder ihn erst selbst erworben? – Was ich selbst erworben habe, sagte er,





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