Page 28 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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was er zur Aufbewahrung übergab, ein Geschuldetes; oder wie? – Ja
                gewiß. – Zurückzuerstatten aber ist es ja auch in keinerlei Weise, wenn
                Jemand nicht bei voller Besinnung es zurückfordert? – Dieß ist wahr,

                sagte er. – Irgend etwas Anderes demnach als das derartige meint, wie es
                scheint, Simonides unter dem Ausspruche, daß gerecht sei, das
                Geschuldete zurückzuerstatten. – Ja wahrlich bei Gott etwas Anderes,
                erwiederte er; er meint nemlich, die Freunde seien den Freunden
                schuldig, ihnen etwas Gutes zu thun, aber nichts Schlimmes. – Ich
                verstehe es nun, sagte ich, daß hiebei nicht derjenige das Geschuldete
                zurückerstattet, welcher Jemandem das zur Aufbewahrung übergebene

                Gold zurückerstattet, wann nemlich die Zurückerstattung und das
                Zurückerhalten schädlich ist und beide, nemlich der Zurückerhaltende
                und der Zurückerstattende, einander befreundet sind. Sagst du nicht, daß
                so es Simonides meine? – Ja wohl, allerdings. – Was aber nun? Müssen
                wir den Feinden zurückerstatten, was ihnen eben geschuldet wird? – Ja
                wohl durchaus, erwiederte er, nemlich eben, was man ihnen schuldet;

                geschuldet aber wird ja, glaube ich, dem Feinde von dem Feinde, was
                denselben auch gebührt, nemlich irgend Schlimmes. –
                     7. In einem Räthsel also, sagte ich, hat, wie es scheint, Simonides in
                dichterischer Weise angedeutet, was das Gerechte sei; nemlich er hatte
                dabei, wie sich nun zeigt, in Gedanken, daß das Zurückerstatten des
                einem Jeden Gebührenden gerecht sei, dieß letztere aber nannte er das
                Geschuldete. – Aber was meinst du hiemit? sagte er. – Bei Gott,

                erwiederte ich, wenn ihn also Jemand folgendermaßen fragen würde:
                Höre Simonides, wem und welches Geschuldete oder Gebührende muß
                denn nun eine Kunst erstatten, um Arzneikunst genannt zu werden? was
                glaubst du, daß er uns da wohl antworten würde? – Klärlich, sagte er, ist
                es jene Kunst, welche den Körpern sowohl Arzneien als auch Speisen
                und Getränke erstattet. – Wem aber und welches Geschuldete oder

                Gebührende muß eine Kunst erstatten, um Kochkunst genannt zu
                werden? – Es ist jene, welche den Speisen die Gewürze erstattet. –
                Weiter; wem und was muß eine Kunst erstatten, um etwa Gerechtigkeit
                genannt zu werden? – Wenn ich irgend, o Sokrates, sagte er, dem vorher
                Gesagten folgen soll, so ist dieß jene, welche den Freunden und den
                Feinden Nutzen und Schaden erstattet. – Den Freunden also Gutes zu
                thun und den Feinden Schlimmes, nennt er hiemit Gerechtigkeit? – So

                scheint es mir. – Wer nun hat die meiste Fähigkeit, den
                darniederliegenden Freunden Gutes und den Feinden Schlimmes zu thun
                in Bezug auf Krankheit und Gesundheit? – Der Arzt. – Wer aber den zur
                See fahrenden in Bezug auf die Gefahren des Meeres? – Der





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