Page 31 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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wacker hält, liebt, diejenigen hingegen haßt, welche er für schlechte hält.
                – Irren sich aber etwa die Menschen nicht in diesem Betreffe, so daß
                ihnen Viele wacker zu sein scheinen, während sie es nicht sind, und viele

                auch wieder gegentheilig? – Ja, sie irren sich. – Für diese also sind die
                Guten Feinde, die Schlechten aber Freunde. – Ja, allerdings. – Aber
                dennoch ist es dann eben für diese gerecht, den Schlechten zu nützen,
                den Guten aber zu schaden. – Ja, so zeigt sich’s. – Nun aber sind ja die
                Guten gerecht und derartige, daß sie nicht Unrecht thun. – Dieß ist wahr.
                – Nach deiner Angabe demnach ist es gerecht, denjenigen, welche kein
                Unrecht verüben, Schlimmes zu thun. – Nein, keineswegs, o Sokrates,

                sagte er; nemlich meine Angabe scheint eine schlechte zu sein. – Also
                den Ungerechten zu schaden, sagte ich, ist gerecht, und den Gerechten zu
                nützen. – Diese Angabe scheint richtiger zu sein, als jene. – Für Viele
                also, o Polemarchos, nemlich für alle jene, welche sich an den Menschen
                geirrt haben, wird es sich ergeben, daß es gerecht sei, den Freunden zu
                schaden, denn diese sind für sie schlecht, und hingegen den Feinden zu

                nützen, denn sie sind für sie gut; und auf diese Weise werden wir gerade
                das Gegentheil von demjenigen sagen, was nach unserer Behauptung
                Simonides aussprach. – Und zwar in hohem Grade, sagte er, ergibt sich
                dieß. Aber laß uns die Sache anders stellen, denn es kömmt darauf
                hinaus, daß wir den Begriff des Freundes und Feindes nicht richtig
                gestellt haben. – Bei welcher Aufstellung des Begriffes, o Polemarchos?
                – Daß derjenige Freund sei, welcher wacker zu sein scheine. – Wie aber

                wollen wir, sagte ich, ihn jetzt anders stellen? – Daß derjenige Freund
                sei, erwiederte er, welcher sowohl wacker zu sein scheint als auch es ist,
                hingegen jener, welcher es bloß zu sein scheint, aber nicht ist, bloß ein
                Freund scheine, nicht aber es sei; und betreffs des Feindes nun die
                nemliche Aufstellung. – Freund demnach wird, wie es scheint, nach
                dieser Angabe der Gute sein, Feind aber der Schlechte. – Ja. – Du heißest

                uns also, zu dem Gerechten Etwas hinzuzufügen im Vergleiche mit
                jenem, was wir zuerst sagten, als wir angaben, gerecht sei, dem Freunde
                Gutes zu thun, dem Feinde aber Schlimmes; außer diesem also es jetzt
                folgendermaßen anzugeben, daß es gerecht sei, dem Freunde als einem
                Guten Gutes zu thun, dem Feinde aber als einem Schlechten zu schaden?
                – Allerdings nun, sagte er, scheint es mir auf diese Weise wohl richtig
                angegeben zu sein. –

                     9. Ist es also wirklich, sagte ich, Sache eines gerechten Mannes,
                irgend Einem unter den Menschen zu schaden? – Ja, allerdings, sagte er,
                wenigstens den Schlechten und den Feinden soll man ja schaden. –
                Werden aber durch Schaden die Pferde besser oder schlechter? –





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