Page 32 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Schlechter. – Etwa bezüglich der Vortrefflichkeit eines Hundes oder
                bezüglich jener eines Pferdes? – Bezüglich jener eines Pferdes. – Werden
                also auch Hunde durch Schaden schlechter bezüglich der Vortrefflichkeit

                eines Hundes und nicht bezüglich jener eines Pferdes? – Nothwendig. –
                Sollen wir aber nun von Menschen, mein Freund, nicht ebenso sagen,
                daß sie durch Schaden bezüglich der menschlichen Vortrefflichkeit
                schlechter werden? – Ja, allerdings wohl. – Aber die Gerechtigkeit, ist
                sie nicht eine menschliche Vortrefflichkeit? – Auch dieß muß
                nothwendig so sein. – Müssen also nothwendig, mein Freund, auch
                diejenigen unter den Menschen, welchen wir schaden, hiedurch

                ungerechtere werden? – Ja, so scheint es. – Können also etwa vermittelst
                der Tonkunst die Tonkundigen Jemanden zu einem in der Tonkunst
                Ungebildeten machen? – Dieß ist unmöglich. – Aber etwa vermittelst der
                Reitkunst die Reitkundigen Jemanden zu einem in der Reitkunst
                Ungebildeten? – Es ist nicht möglich. – Aber etwa vermittelst der
                Gerechtigkeit die Gerechten Jemanden zu einem Ungerechten, oder auch

                überhaupt vermittelst der Vortrefflichkeit die Guten Jemanden zu einem
                Schlechten? – Dieß ist ja unmöglich. – Nicht nemlich ist es das Werk der
                Wärme, glaube ich, kalt zu machen, sondern das ihres Gegentheiles. – Ja.
                – Und nicht Werk der Trockenheit, feucht zu machen, sondern das ihres
                Gegentheiles. – Ja wohl. – Und demnach auch nicht Werk des Guten, zu
                schaden, sondern das seines Gegentheiles. – Ja, so zeigt sich’s. – Aber
                der Gerechte ja ist gut? – Ja wohl. – Nicht also, o Polemarchos, ist es

                Werk des Gerechten, zu schaden, sei es dem Freunde oder sei es irgend
                einem Anderen, sondern Werk seines Gegentheiles, nemlich des
                Ungerechten. – Ganz und gar, sagte er, scheinst du mir wahr zu sprechen,
                o Sokrates. – Wenn also Jemand behauptet, gerecht sei, das einem Jeden
                Geschuldete zu erstatten, ihm aber hiebei dieß den Sinn hat, daß von
                Seite des gerechten Mannes den Feinden Schaden geschuldet werde und

                den Freunden Nutzen, so war derjenige, welcher so sprach, nicht weise;
                denn nicht das Wahre gab er an; es zeigte sich nemlich uns, daß es in
                keiner Weise gerecht sei, irgend Jemandem zu schaden. – Ich gestehe es
                zu, sagte jener. – Werden also, sagte ich, wir beide, nemlich ich und du,
                gemeinschaftlich dagegen kämpfen, falls Jemand behaupten würde, es
                habe jenes entweder Simonides oder Bias oder Pittakos oder irgend ein
                Anderer unter den weisen und gepriesenen Männern gesagt? – Ja, ich

                wenigstens, erwiderte er, bin bereit, bei dem Kampfe dein Theilnehmer
                zu sein. – Aber weißt du, sagte ich, von wem jenes Wort mir zu sein
                scheint, wenn man nemlich behauptet, gerecht sei, den Freunden zu
                nützen und den Feinden zu schaden? – Von wem nemlich? sagte er. – Ich





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