Page 37 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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sie bestrafen den dasselbe Uebertretenden als einen Widergesetzlichen
                und Unrechtthuenden. Dieß also ist es, mein Bester, was ich darunter
                meine, daß in sämmtlichen Staaten das Nämliche gerecht sei, nemlich

                das für die je bestehende Herrschaft Zuträgliche; diese Herrschaft aber ja
                übt ihre Stärke aus, und folglich ergibt sich, wenn man richtig schließt,
                daß überall das Nemliche gerecht sei, nemlich das dem Stärkeren
                Zuträgliche. – Jetzt, sagte ich, verstehe ich, was du meinst; zu verstehen
                aber, ob es wahr sei oder nicht, werde ich erst versuchen. Das
                Zuträgliche also nun hast auch du, o Thrasymachos, als Antwort betreffs
                des Gerechten ausgesprochen, und doch verbotest du es mir, dieß zu

                antworten; es ist aber denn nun auch noch das dem »Stärkeren«
                hinzugefügt. – Ja, vielleicht nur eine unbedeutende Hinzufügung. – Dieß
                ist noch nicht klar, ob nicht etwa auch eine bedeutende; hingegen das ist
                klar, daß wir erwägen müssen, ob du hierin Recht habest. Da nemlich ja
                auch ich zugestehe, daß das Gerechte wenigstens irgend ein Zuträgliches
                sei, du aber Etwas hinzufügst und behauptest, es sei das dem Stärkeren

                Zuträgliche, ich aber dieses nicht verstehe, so ist es demnach nun zu
                erwägen. – Erwäge nur, sagte er. –
                     13. Dieß soll geschehen, erwiederte ich. Und sage mir hiemit:
                Behauptest du nicht doch auch, daß es gerecht sei, den Herrschern zu
                gehorchen? – Gewiß. – Sind aber die Herrscher in den einzelnen Staaten
                von allem Irrthume frei, oder sind sie derartig, daß sie auch irren
                können? – Durchaus wohl sind sie so, daß sie auch irgend irren können.

                – Nicht wahr also, bei dem Bestreben, Gesetze aufzustellen, stellen sie
                die einen richtig, andere nicht richtig auf? – Ich glaube gewiß. – In
                richtiger Weise aber sie aufstellen, heißt also doch wohl das ihnen
                Zuträgliche aufstellen, in unrichtiger Weise aber wohl das ihnen
                Unzuträgliche? Oder wie meinst du es? – Eben so. – Dasjenige aber, was
                sie aufgestellt, müssen die von ihnen Beherrschten thun, und dieß ist das

                Gerechte? – Wie sollte es anders sein? – Nicht bloß also ist es gemäß
                deiner Begründung gerecht, das dem Stärkeren Zuträgliche zu thun,
                sondern auch im Gegentheile das nicht Zuträgliche zu thun. – Was sagst
                du da? sprach er. – Eben, was du sagst, wie mir wenigstens scheint. Laß
                es uns aber noch besser erwägen. Ist nicht zugestanden, daß die
                Herrscher, indem sie den Beherrschten irgend etwas zu thun gebieten,
                bisweilen von ihrem eigenen Besten abirren, es aber für die Beherrschten

                doch gerecht sei, es zu thun? Ist dieß nicht zugestanden? – Ja gewiß,
                glaube ich, sagte er. – Glaube demnach, sagte ich, daß hiemit auch die
                Vollziehung desjenigen, was den Herrschern und den Stärkeren nicht
                zuträglich ist, von dir als etwas Gerechtes zugestanden sei, wenn nemlich





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