Page 42 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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wenn du eine rotzige Nase hast, und dich nicht schneuzt, wenn du es
brauchst, der du ja von ihr aus nicht einmal Schaf und Hirt auseinander
kennst. – In wieferne denn eigentlich? sagte ich. – Weil du glaubst, daß
die Schäfer oder Rinderhirten das Beste der Schafe oder der Rinder
erwägen und dieselben mästen und pflegen, indem sie hiebei auf etwas
Anderes sähen als auf das Beste ihrer Herrn und ihrer selbst, und weil du
so denn auch von den Herrschern in den Staaten, welche in Wahrheit
herrschen, glaubst, daß sie anders gegen die Beherrschten gesinnt seien,
als Jemand etwa auch gegen Schafe gesinnt sein dürfte, und daß sie
irgend etwas Anderes Tag und Nacht hindurch erwägen, als nur, woher
sie selbst Vortheil erhalten möchten. Und so weit noch bist du betreffs
des Gerechten und der Gerechtigkeit und des Ungerechten und der
Ungerechtigkeit vom Ziele entfernt, daß du nicht einmal verstehst, daß
wirklich die Gerechtigkeit und das Gerechte ein fremdes Gut, nemlich
das dem Stärkeren und Herrschenden Zuträgliche, ist, selbst aber für den
Gehorchenden und Dienenden nur ein Schaden ist, die Ungerechtigkeit
hingegen auch wirklich über die in Wahrheit Einfältigen und Gerechten
herrscht, die Beherrschten aber dabei nur das jenem als dem Stärkeren
Zuträgliche thun, und jenen, indem sie ihm dienen, zu einem
Glücklichen machen, sich selbst aber in keinerlei Weise. Erwägen aber
muß man, o einfältigster Sokrates, in dieser Weise, daß ein gerechter
Mann gegen einen ungerechten überall den Kürzeren zieht; erstens in
dem gegenseitigen Verkehre wirst du, wo nur ein Solcher mit einem
Solchen in Gemeinschaft trat, nirgends finden, daß bei der Auflösung der
Gemeinschaft der Gerechte Mehr habe als der Ungerechte, sondern eben
Weniger; ferner wird, was die Verhältnisse zum Staate betrifft, sowohl
wenn es sich um Beisteuer handelt, von gleichem Vermögen der
Gerechte mehr, der Ungerechte aber Weniger beisteuern, als auch wenn
um Einnahmen, der Eine Nichts, der Andere aber Vieles gewinnen; denn
wenn ein jeder von beiden ein Amt führt, so wird dem Gerechten, wenn
auch keine andere Einbuße, so doch diese sich ergeben, daß seine
eigenen Verhältnisse in Folge einer Vernachlässigung schlechter stehen,
er aber von dem Staate eben keinen Vortheil zieht, weil er ja gerecht ist,
und außerdem auch noch mit seinen Verwandten und Bekannten sich
verfeindet, wann er ihnen nicht wider das Recht Dienste erweisen will.
Hingegen für den Ungerechten ergibt sich von all diesem das Gegentheil;
denn ich meine hiebei denjenigen, von welchem ich eben jetzt sprach,
nemlich jenen, welcher seiner Unersättlichkeit Genüge zu thun fähig ist.
Von diesem also erwäge es, woferne du beurtheilen willst, um wie viel
mehr es ihm persönlich zuträglich sei, ungerecht zu sein, als gerecht zu
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