Page 46 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Nein, sicher nicht. – Was aber nun? wirst du die Arzneikunst als
                Lohnerwerbs-Kunst bezeichnen, falls Jemand als Heilender Lohn
                erwirbt? – Nein, sagte er. – Nicht wahr also, daß ja der Nutzen einer

                jeden Kunst ein ihr eigenthümlicher sei, haben wir schon zugestanden? –
                Es sei so, sagte er. – Betreffs jenes Nutzens also, welchen gemeinsam
                sämmtliche Werkmeister genießen, ist klar, daß sie ihn nur dadurch
                genießen, daß sie auch noch irgend etwas allen Gemeinsames hiezu in
                Anwendung bringen? – Es scheint so, sagte er. – Wir sagen aber ja, daß
                der Genuß eines durch Lohnerwerb erreichten Nutzens für die
                Werkmeister sich dadurch ergebe, daß sie die Lohnkunst noch hiezu in

                Anwendung bringen? – Er bejahte es mit Noth. – Nicht also in Folge
                seiner eigenen Kunst hat ein Jeder diesen Nutzen, nemlich den Ertrag
                eines Lohnes, sondern, woferne man es genau erwägen soll, erzeugt die
                Arzneikunst Gesundheit, die Lohnerwerbs-Kunst aber Lohn, und die
                Baukunst ein Haus, die Lohnerwerbs-Kunst aber als eine sie begleitende
                den Lohn, und so bewirkt auch jede von allen übrigen ihr eigenes Werk

                und nützt jenem, wofür sie aufgestellt ist; wann aber nicht Lohn zu ihr
                noch hinzukommt, genießt dann der Werkmeister von seiner Kunst einen
                Nutzen? – Es zeigt sich, daß keinen, sagte er. – Stiftet er also etwa dann
                nicht einmal Nutzen, wann er unentgeltlich arbeitet? – Ich glaube doch
                wohl. – Nicht wahr also, o Thrasymachos, dieß ist uns bereits klar, daß
                keine Kunst oder Herrschaft ihren eigenen Nutzen bereitet, sondern, was
                wir schon längst gesagt haben, eben das dem Beherrschten Nützliche

                bereitet und gebietet, indem sie das jenem als dem Schwächeren
                Zuträgliche erwägt, nicht aber das dem Stärkeren Zuträgliche. Deswegen
                denn nun habe ich wenigstens, o lieber Thrasymachos, auch so eben
                gesagt, daß Keiner freiwillig eine Herrschaft ausüben und das fremde
                Uebel zur Aufbesserung in die Hand nehmen will, sondern einen Lohn
                fordert, weil derjenige, welcher richtig gemäß seiner Kunst verfahren

                will, niemals für sich selbst das Beste verübt oder gebietet, insoferne er
                der Kunst gemäß gebietet, sondern nur für den Beherrschten. Um Dessen
                willen demnach, wie es scheint, muß für diejenigen, welche eine
                Herrschaft ausüben wollen, ein Lohn bestehen, sei es Geld oder Ehre
                oder eine Einbuße für den Fall, daß sie dieselbe nicht ausüben. –
                     19. Wie meinst du dieß, o Sokrates? sagte Glaukon; nemlich die zwei
                Arten des Lohnes kenne ich; welche Einbuße aber du meinest und wie du

                sie in Geltung eines Lohnes anführtest, habe ich noch nicht verstanden. –
                Den Lohn der Besten also, sagte ich, verstehst du nicht, wegen dessen
                die Tüchtigsten herrschen, wenn sie herrschen wollen; oder weißt du
                nicht, daß Ehrliebend und Geldliebend zu sein, als Schande bezeichnet





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