Page 50 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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angegeben. – Es ist aber ja, sagte ich, verständig und gut der Ungerechte,
                der Gerechte hingegen keines von Beiden? – Auch dieß, sagte er, ist
                richtig. – Nicht wahr also, sprach ich, es gleicht auch dem Verständigen

                und dem Guten der Ungerechte, der Gerechte hingegen gleicht ihm
                nicht? – Warum sollte auch, sagte er, jener, welcher ein Derartiger ist,
                nicht eben den Derartigen gleichen, derjenige hingegen, welcher es nicht
                ist, ihnen ungleich sein? – Gut; also ein Derartiger ist jeder von beiden,
                wie diejenigen sind, welchen er gleicht. – Was steht denn im Wege?
                sagte er. – Weiter, o Thrasymachos; du nennst doch wohl Manchen einen
                musikalisch Gebildeten, einen Anderen aber einen musikalisch

                Ungebildeten? – Ja gewiß. – Welchen von beiden nennst du einen
                Verständigen und welchen einen Unverständigen? – Doch wohl den
                musikalisch Gebildeten einen Verständigen, den musikalisch
                Ungebildeten aber einen Unverständigen. – Nicht wahr, also in jenen
                Dingen, in welchen er verständig ist, nennst du ihn einen Guten, worin er
                aber unverständig ist, einen Schlechten? – Ja. – Wie aber ist es bei dem

                Arzneikundigen? nicht ebenso? – Ja, ebenso. – Scheint dir also, mein
                Bester, der musikalisch gebildete Mann beim Stimmen der Lyra es in
                dem Anspannen und Nachlassen der Saiten einem gleichfalls
                musikalisch gebildeten Manne zuvorzuthun oder den Wunsch hiezu zu
                haben? – Nein, mir scheint er es nicht. – Wie aber? thut er es einem
                musikalisch Ungebildeten zuvor? – Ja, nothwendig, sagte er. – Wie aber
                ist es bei dem Arzneikundigen? scheint er in Bezug auf Speise und Trank

                es einem arzneikundigen Manne oder einem arzneikundigen Verfahren
                zuvorthun zu wollen? – Nein, sicher nicht. – Aber einem nicht
                arzneikundigen? – Ja. – Hiemit aber betreffs eines jeden Wissens und
                Nichtwissens sieh zu, ob es dir scheine, daß jedweder Wissende mehr als
                ein anderer Wissender zu thun oder zu sagen wünsche, und nicht eben
                das Nemliche wie jeder ihm Gleiche in Bezug auf das nemliche

                Verfahren. – Aber vielleicht ja, sagte er, muß dieß allerdings sich
                nothwendig so verhalten. – Wie aber? würde der Unwissende nicht in
                gleicher Weise sowohl dem Wissenden als auch dem Unwissenden es
                zuvorthun wollen? – Ja, vielleicht. – Der Wissende aber ist weise? – So
                behaupte ich. – Der Weise aber ist gut? – So behaupte ich. – Also der
                Gute und Weise wird es dem ihm Gleichen nicht zuvorthun wollen, wohl
                aber dem ihm Ungleichen und Entgegengesetzten? – So scheint es, sagte

                er. – Der Schlechte und Unkundige aber sowohl dem ihm Gleichen, als
                auch dem ihm Entgegengesetzten? – So zeigt sich’s. – Nicht wahr also, o
                Thrasymachos, sagte ich, der Ungerechte ist es uns, welcher es sowohl
                dem ihm Ungleichen, als auch dem ihm Gleichen zuvorthut, oder sagtest





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