Page 35 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ich, war dir, daß Niemand dir auf eine solche Frage antworten werde.
                Aber wenn jener zu dir sagen würde: »höre, Thrasymachos, was fällt dir
                ein? Ich soll Nichts von jenem, was du vorher ankündigtest, antworten?

                etwa, du Wunderlicher, auch dann nicht, wenn es wirklich eines von
                jenen ist, sondern soll ich dann etwas Anderes als die Wahrheit sagen?
                oder wie meinst du es denn?« –, was würdest du ihm auf dieses
                erwiedern? – Nur fort so, sagte er; gerade als ob dieß dem Obigen
                ähnlich wäre! – Es steht wenigstens Nichts im Wege, sagte ich; aber
                wenn also auch es nicht wirklich ähnlich ist, es aber dem Gefragten so zu
                sein scheint, glaubst du, er werde irgend minder das, was ihm scheint,

                antworten, mögen wir es ihm verbieten oder nicht. – Wirst also auch du,
                sagte er, auf diese Weise etwas Anderes thun? wirst du wirklich Etwas
                von demjenigen, was ich mir verbeten habe, mir antworten? – Es sollte
                mich eben nicht wundern, sagte ich, woferne nemlich in Folge einer
                Erwägung es mir so zu sein schiene. – Was aber nun? sagte er, wenn ich
                zeigen werde, daß es betreffs der Gerechtigkeit eine anderweitige

                Antwort als alle jene gibt, und zwar eine bessere als jene, was verlangst
                du dann, daß dir geschehe? – Was Anderes, sagte ich, als was gebührend
                dem Nichtwissenden geschieht; es gebührt aber doch wohl, daß er von
                dem Wissenden lerne; und also auch ich verlange, daß mir dieß
                geschehe. – Ei du bist ja gar liebenswürdig, sagte er; aber außer dem
                Lernen bezahle auch Geld. – Nicht wahr wohl, wenn ich welches
                bekomme? erwiederte ich. – Aber du hast ja welches, sprach Glaukon;

                doch, was das Geld betrifft, o Thrasymachos, so magst du immerhin
                beginnen zu sprechen; denn wir sämmtliche werden dem Sokrates
                beisteuern. – Ja wohl, allerdings, meine ich, antwortete jener, damit ja
                Sokrates sein übliches Thun in’s Werk setzen kann, nemlich er selbst
                Nichts antworte, aber wenn ein Anderer antwortet, er die Rede aufgreife
                und überführe. – Wie sollte ja aber auch, mein Bester, sagte ich, Jemand

                antworten, welcher erstens Nichts weiß und auch nicht behauptet, Etwas
                zu wissen, und welchem zweitens, falls er in solchem Betreffe auch nur
                eine Meinung hat, es von einem gar nicht verwerflichen Manne verboten
                ist, irgend Etwas von jenem zu sagen, was er dafür hält; hingegen weit
                eher ist es billig, daß du sprechest; denn du behauptest, es zu wissen und
                es angeben zu können. Thue es also nicht anders, sondern sei durch deine
                Beantwortung sowohl mir zu Gefallen, als auch enthalte diesem Glaukon

                da und den Uebrigen deinen Unterricht nicht bevor.
                     12. Nachdem ich aber dieses gesagt hatte, baten ihn sowohl Glaukon
                als auch die Uebrigen, es nicht anders zu thun. Und Thrasymachos hatte
                einerseits augenfällig eine Begierde, zu sprechen, um hiedurch Ruhm zu





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