Page 34 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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mir dann nicht etwa sagest, daß es das Pflichtgemäße sei, und auch nicht,
daß das Nützliche, und auch nicht daß das Vortheilhafte, und auch nicht
daß das Gewinnbringende, und auch nicht daß das Zuträgliche, sondern
deutlich und genau gib an, was du angibst, da ich es nicht werde gelten
lassen, wenn du derartiges Gewäsche vorbringst. – Und ich erbebte, wie
ich dieses hörte, und wenn ich auf ihn hinblickte, fürchtete ich mich, und
ich glaube, daß wenn nicht eher ich ihn angeschaut hätte als er mich, ich
sprachlos geworden wäre; nun aber blickte gerade in dem Zeitpunkte, als
er durch das Reden in seine Wildheit versetzt wurde, zuerst ich ihn an, so
daß ich im Stande war, ihm zu antworten,Es bezieht sich dieß auf den
mannigfachen Aberglauben vom bannenden Blicke, bei welchem es
namentlich darauf ankömmt, welcher von beiden Theilen dem anderen
zuerst in’s Auge blickt, denn dieser ist dann hiedurch im Vortheile.
Verstummung galt auch schon bei den Alten als Folge des bösen Blickes,
besonders seitens eines Wolfes oder Basilisken. und ich sprach noch
zitternd: Thue uns kein Leid an; denn wenn wir, ich und dieser da, bei
der Erwägung der Begründungen irren, so wisse wohl, daß wir
unfreiwillig irren; du wirst nemlich doch wohl nicht glauben, daß wir
einerseits, wenn wir Gold suchen würden, sicher nicht freiwillig bei dem
Suchen uns vor einander auf den Boden werfen und hiedurch das
Auffinden desselben vereiteln würden, andererseits aber, wenn wir die
Gerechtigkeit suchen, ein Ding, was doch schätzenswerther als vieles
Gold ist, wir dann so unverständig einander nachgeben und nicht alle
Mühe anwenden würden, daß sie sich in so hohem Grade als möglich
zeige. Du magst wohl glauben, mein Freund, daß dir sie sich gezeigt
habe, aber, meine ich, uns fehlt die Kraft hiezu; bemitleidet werden also
sollten wir billiger Weise weit eher von euch, den Gewandten, als daß ihr
böse auf uns seid. –
11. Und wie jener dieses hörte, brach er in ein Hohngelächter aus und
sagte: Beim Herakles, da haben wir wieder jene übliche Ironie des
Sokrates, und ich wußte dieß von vorneherein und sagte diesen auch im
Voraus, daß du überhaupt eben nicht werdest antworten wollen, sondern
deine Ironie üben und kurz alles Andere eher thun, nur aber nicht
antworten würdest, wenn man dich um Etwas frägt. – Ja, sagte ich, denn
du bist ein Weiser, o Thrasymachos; und wohl also wußtest du, daß wenn
du Jemanden fragst, wie viel Zwölf sei, und du bei der Frage ihm vorher
schon ankündigest, »daß du, Mensch, mir dann nicht etwa sagest, daß
Zwölf zweimal sechs sei, und auch nicht, daß dreimal vier, und auch
nicht daß sechsmal zwei, und auch nicht daß viermal drei, da ich es nicht
werde gelten lassen, wenn du derartiges schwätzest«, – klar also, meine
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