Page 26 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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unterwerfen (vgl. m. Anm. 37 z. Gastmahl und Anm. 59 z. Phädrus).
                Somit dreht sich nun alsbald die Unterredung um den Begriff der
                Gerechtigkeit, und im Munde des Sokrates entfaltet sich diese Erörterung

                zur Lehre vom Staate; jene Wirkung aber des Gerechten und
                Ungerechten, welche sich über dieses Leben hinaus erstreckt, bildet
                wieder den Abschluß der gesammten Untersuchung.; von Besorgniß aber
                und Furcht wird er hiemit erfüllt, und er rechnet bereits zurück und
                erwägt, ob er Jemandem irgend Unrecht gethan habe. Derjenige also,
                welcher in seinem eigenen Leben vieles Unrecht findet, ist, indem er
                auch aus dem Schlafe, wie die Kinder, häufig erwacht, stets in Furcht

                und führt sein Leben mit schlimmer Erwartung; jenem hingegen, welcher
                sich nichts Ungerechtes bewußt ist, steht immer eine freudige und gute
                Erwartung zur Seite als Pflegerin seines Alters, wie auch PindarDie hier
                folgenden Worte Pindar’s sind ein uns weiter nicht bekanntes Fragment
                (s. in Böckh’s Ausg. IV, S. 672); auf metrische Uebersetzung derselben
                verzichtete ich gerne, da es sich hier mehr um den wörtlichen Sinn, als

                um die Versform handeln dürfte. sich ausdrückt; nemlich gar zierlich ja,
                o Sokrates, hat jener es ausgesprochen, daß, wer gerecht und heilig sein
                Leben geführt hat,
                     »diesem eine süße Erwartung, sein Herz aufnährend, als Pflegerin
                des Greisenalters das Geleit gibt, welche auch zumeist den vielbewegten
                Sinn der Sterblichen lenkt;« –
                     trefflich also sagt er dieß, wirklich in staunenswertem Grade. Im

                Hinblicke auf dieses demnach stelle ich die Behauptung auf, daß der
                Geldbesitz sehr viel werth sei, nicht jedoch für jedweden Mann, sondern
                nur für den tüchtigen; nemlich um auch nicht unfreiwillig Jemanden zu
                täuschen oder zu belügen, und um auch hinwiederum nicht in Furcht
                wegen einer Schuld, sei es an irgend Opfern gegen einen Gott oder sei es
                an Geld gegen einen Menschen, dorthin dann abzugehen, trägt der

                Geldbesitz gewiß einen großen Theil bei; derselbe hat aber auch andere
                vielfache Anwendungen; hingegen ja Eins gegen Eins gerechnet wäre
                eben jenes wenigstens nicht das unbedeutendste, bezüglich dessen ich für
                einen verständigen Mann, o Sokrates, den Reichthum als das nützlichste
                aufstellen möchte. – Sehr richtig, sagte ich, sprichst du, o Kephalos.
                Aber was eben dieses, nemlich die Gerechtigkeit, betrifft, sollen wir
                etwa in Wahrheit sagen, daß sie schlechthin gerade darin bestehe, Etwas

                wieder zu erstatten, wenn man es von Jemandem bekommen hat, oder
                kann man wohl auch selbst dieses bald in gerechter bald in ungerechter
                Weise thun? wie z. B. ich meine Folgendes: ein Jeder würde doch wohl
                sagen, daß, wenn Jemand von einem befreundeten, völlig bei Sinnen





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