Page 25 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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frägst du, o Sokrates? So ziemlich in der Mitte stehe ich bezüglich der
Geldgeschäfte zwischen meinem Großvater und meinem Vater; mein
Großvater nemlich, welcher ebenso hieß wie ich, hat ungefähr das
gleiche Vermögen, welches ich jetzt besitze, überkommen, es aber dann
vielmal so groß gemacht, als es war; hingegen Lysanias mein Vater
machte es noch kleiner als das jetzige ist; ich aber bin es zufrieden, wenn
ich es diesen da nicht kleiner hinterlasse, sondern um irgend ein Weniges
größer, als ich es überkommen. – Weshalb aber ich dich fragte, sagte ich,
liegt darin, weil es mir schien, als schätzest du das Geld nicht sehr
außerordentlich; so machen es aber meistens jene, welche es nicht selbst
erworben haben, hingegen diejenigen, welche es erwarben, lieben es
doppelt so sehr als die Uebrigen; sowie nemlich die Dichter ihre
Dichtwerke und die Väter ihre Kinder schätzen, so wenden diejenigen,
welche sich Geld gemacht haben, sowohl in dieser Beziehung ihren Eifer
auf das Geld als ihr eigenes Werk, als auch gemäß dem Bedürfnisse in
der nemlichen Beziehung wie auch die Uebrigen. Schwierig ist daher mit
ihnen umzugehen, weil sie nichts Anderes, als nur den Reichthum
preisen wollen. – Da sprichst du wahr, sagte er. –
5. Allerdings wohl, erwiederte ich. Aber sage mir auch noch
Folgendes: Welches ist das größte Gut, das du von dem Besitze eines
großen Vermögens genossen zu haben glaubst? – Etwas, antwortete er,
wovon ich vielleicht nicht Viele überzeugen könnte, wenn ich es
ausspreche. Du weißt nemlich wohl, o Sokrates, daß wenn Jemand nahe
daran ist, den bevorstehenden Tod zu erwarten, ihn Furcht und Bedenken
über Dinge beschleichen, über welche sie ihn vorher nie beschlichen;
denn sowohl die über die Verhältnisse im Hades allgemein verbreiteten
Sagen, daß, wer hier Unrecht gethan, dort bestraft werde, über welche er
bis dahin gelacht hatte, bringen dann nun in seiner Seele eine Wendung
hervor, ob sie nicht vielleicht doch wahr seien, als auch er selbst sieht,
entweder in Folge der Schwäche des Greisenalters, oder weil er
gleichsam dem dortigen schon näher ist, diese Dinge irgend in höherem
Grade. Am Schlusse des ganzen Werkes (nemlich B. X, Cap. 13) kehrt
Plato auf diesen Punkt wieder zurück. Es hatte das Gespräch mit dem
greisen Kephalos jetzt zur Erwähnung jener Belohnung oder Bestrafung
geführt, welche dem gerechten oder ungerechten Leben im Jenseits
nachfolgt; und nachdem diese Wendung des Gespräches in dem Munde
eines Mannes, welcher selbst schon an der Grenze des Lebens steht, nahe
genug gelegen war, ist es nun der eigenthümlichen Gesprächsweise des
Sokrates völlig angepaßt, wenn derselbe einen einzelnen sich ergebenden
Punkt aufgreift, um ihn der umfassenden begrifflichen Erörterung zu
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