Page 21 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Erstes Buch.



                                                  Inhaltsverzeichnis




                1. Ich ging gestern mit Glaukon, dem Sohne des Ariston, in den Piräus
                hinab, sowohl um zu der GöttinUnter der Bezeichnung »die Göttin« ist

                hier nicht, wie gewöhnlich bei Bezugnahme auf attische Verhältnisse,
                Athene gemeint, sondern die thrakische Mondgöttin Bendis, welche i. J.
                430 v. Chr. in den attischen Kultus aufgenommen wurde; das ihr
                geweihte Fest, die sog. Bendidien (s. am Schlusse dieses Buches), wurde
                im Piräus am 19. oder 20. des attischen Monates Thargelion gefeiert.
                Daß bei jener erstmaligen Festfeier auch Thrakier selbst sich
                betheiligten, welche offenbar zur Uebersiedlung des Kultus waren

                beigezogen worden, geht aus Plato’s Worten selbst hervor. zu beten, als
                auch weil ich zugleich den Festzug anschauen wollte, auf welche Weise
                wohl sie ihn veranstalten würden, da sie ihn nemlich jetzt zum
                erstenmale aufführten. Schön nun schien mir zwar auch der Aufzug der
                Einheimischen zu sein, nicht weniger jedoch war offenbar jener sehr

                passend, welchen die Thrakier veranstalteten. Nachdem wir aber gebetet
                und zugeschaut hatten, gingen wir wieder fort gegen die Stadt zurück.
                Da sah uns nun, wie wir nach Hause zu aufgebrochen waren, von weitem
                Polemarchos, der Sohn des Kephalos, und hieß seinen Sklaven uns
                nacheilen und auffordern, auf ihn zu warten; und es ergriff mich der
                Sklave von hinten an dem Kleide und sagte: es heißt euch Polemarchos
                auf ihn warten. Und ich wendete mich um und fragte, wo jener selbst sei.

                – Hier hinter euch, sagte er, kömmt er heran; aber wartet nur auf ihn. –
                Gut, so wollen wir denn auf ihn warten, sagte Glaukon. – Und ein wenig
                später kam sowohl Polemarchos als auch Adeimantos, der Bruder des
                Glaukon und Nikeratos, der Sohn des Nikias, und einige Andere, eben
                wie von dem Festzuge her. Polemarchos nun sagte: O Sokrates, ihr
                scheint mir gegen die Stadt zu aufgebrochen zu sein, um wieder

                heimzugehen. – Nicht schlecht ja erräthst du es, sagte ich. – Siehst du
                also, erwiederte Jener, wie viele unser sind? – Warum sollte ich auch
                nicht? – Entweder demnach, sagte er, müßt ihr über uns Herr werden,
                oder ihr müßt hier bleiben. – Nicht wahr aber, sagte ich, Eins bleibt dabei
                noch übrig, der Fall nemlich, daß wir euch von der Nothwendigkeit
                überzeugen, uns willig fortzulassen. – Solltet ihr etwa gar, sagte er, uns






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