Page 813 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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nehmen, durch die sie ihm Furcht einflößten, so verdient Piero hierin
                doch Entschuldigung, weil das für ihn schwer und auch nicht anständig
                war. Denn das Mittel, mit dem man ihn angriff und auch schließlich

                stürzte, war die Begünstigung der Medici. Dies Mittel aber konnte Piero
                nicht mit Ehren anwenden, da er die Freiheit, zu deren Hüter er bestellt
                war, nicht ohne Schande vernichten konnte. Auch wäre diese
                Begünstigung, da sie nicht heimlich und auf einmal stattfinden konnte,
                für Piero äußerst gefährlich gewesen, denn sobald er sich als Freund der
                Medici erklärt hätte, wäre er dem Volke verdächtig und verhaßt
                geworden, und seine Feinde hätten ihn dann noch viel leichter gestürzt.

                     Man muß also bei allen Entschließungen die Nachteile und Gefahren
                ins Auge fassen und nie einen Entschluß fassen, wenn die Gefahr größer
                ist als der Gewinn, auch wenn die Sache an sich günstig erscheint. Denn
                handelt man anders, so würde es einem gehen wie Cicero, der den
                Marcus Antonius um seine Gunst bringen wollte und sie nur vermehrte.
                Nach Cäsars Ermordung Antonius war nämlich für einen Feind des

                Senats erklärt worden und hatte ein großes Heer aufgebracht, das
                großenteils aus Anhängern Cäsars bestand. Um ihm die Soldaten
                abspenstig zu machen, riet Cicero dem Senat, dem Octavian Ansehen zu
                geben und ihn mit dem Heer und den Konsuln gegen Antonius zu
                senden. Denn sobald die Soldaten des Antonius den Namen des Octavian
                hören würden, der Cäsars Neffe war und sich selbst Cäsar nennen ließ,
                würden sie den Antonius verlassen und zu Octavian übergehen, so daß

                Antonius verlassen dastände und leicht zu überwinden sei. Die Sache
                kam aber gerade umgekehrt, denn Antonius brachte den Octavian auf
                seine Seite, und dieser ließ Cicero und den Senat im Stich und ging zu
                Antonius über, was den völligen Untergang der Adelspartei zur Folge
                hatte. Das war leicht vorauszusehen. Man durfte nicht glauben, was
                Cicero sich einbildete, sondern mußte stets den Namen Cäsars in

                Rechnung stellen, der seine Feinde so ruhmvoll vernichtet und sich die
                Herrschaft über Rom errungen hatte. Nie durfte man von seinen Erben
                oder Anhängern etwas zum Besten der Freiheit erwarten.






















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