Page 811 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Einundfünfzigstes Kapitel



                                                  Inhaltsverzeichnis






                   Eine Republik oder ein Fürst muß sich den Anschein geben, das,
                        wozu ihn die Notwendigkeit zwingt, aus Großmut zu tun.


                Kluge Menschen machen sich stets ein Verdienst aus ihren Handlungen,
                auch wenn sie die Notwendigkeit dazu zwingt. Diese Klugheit bewies
                der römische Senat, als er im Kriege aus öffentlichen Mitteln Sold zu
                zahlen beschloß, während bisher jeder auf eigne Kosten Kriegsdienst

                geleistet hatte. Der Senat hatte eingesehen, daß man auf diese Weise
                nicht lange Krieg führen und daher weder Städte belagern noch weite
                Feldzüge unternehmen konnte. Da er beides für notwendig hielt,
                beschloß er, Sold zu zahlen, 406 im Krieg mit Veji. Vgl. Livius IV, 59 f.
                tat es aber so, daß man ihm für das dankte, wozu die Notwendigkeit

                zwang. Ja, das Volk nahm diese Freigebigkeit so hoch auf, daß Rom vor
                Freude außer sich war; denn es glaubte, eine so große Wohltat erhalten
                zu haben, wie es sie nie erhofft noch verlangt hätte. Die Tribunen gaben
                sich zwar alle Mühe, das Verdienst des Senats herabzusetzen, und
                bewiesen dem Volke, daß es dadurch belastet, nicht aber erleichtert
                würde, weil zur Auszahlung des Soldes Steuern aufgelegt werden
                müßten. Trotzdem konnten sie dem Volk diese Wohltat nicht verleiden,

                und der Senat vermehrte seine Freude noch durch die Art, wie er die
                Steuern verteilte, indem er nämlich die schwersten und größten dem
                Adel auferlegte und diese zuerst einzog.































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