Page 863 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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es bestehen zwischen uns seit langem gehaltene Verträge, so werde ich
mit anderer Rechtfertigung und anderem Vorwand einen seiner Freunde
angreifen als ihn selbst. Greife ich seinen Freund an, so weiß ich, daß der
Fürst entweder aufgebracht sein wird, und dann ist meine Absicht
erreicht, Krieg mit ihm selbst zu haben, oder er wird nicht aufgebracht
und läßt seinen Schutzbefohlenen im Stich, offenbart also seine
Schwäche oder Treulosigkeit. Beides aber muß ihn um seinen Ruf
bringen und meine Pläne erleichtern. Die obengenannte Unterwerfung ist
also für den Ausbruch eines Krieges lehrreich; sie zeigt aber auch,
welches Mittel einer Stadt bleibt, die sich selbst nicht verteidigen kann,
aber sich auf alle Weise gegen den Angreifer wehren will. Es besteht in
der freiwilligen Unterwerfung unter einen, den man sich zum Verteidiger
ausersieht. So unterwarfen sich die Campanier den Römern und die
Florentiner dem König Robert von Neapel, der sie zuerst als Verbündete
nicht verteidigen wollte, sie dann aber als Untertanen gegen das Heer des
Castruccio von Lucca beschützte, als dieser sie hart bedrängte. In den
Kämpfen der Welfen und Ghibellinen in Italien hatte Robert der Weise
von Anjou, König von Neapel (1309-1322), im Jahre 1319 Frieden mit
Lucca und Pisa geschlossen und auch das mit ihm verbündete Florenz
hierzu bewogen. Als aber 1320 der Condottiere Castruccio Castracani
von Lucca Florenz angriff, wurde es von Robert unterstützt.
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