Page 867 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 867
Elftes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Es ist nicht klug, ein Bündnis mit einem Fürsten zu schließen, der
mehr Ruf als Macht besitzt.
Um zu zeigen, wie falsch es von den Sidicinern war, auf die Hilfe der
Campanier zu bauen, und wie falsch von diesen, daß sie die Sidiciner
schützen zu können glaubten, konnte Livius sich nicht deutlicher als mit
den Worten ausdrücken: Campani magis nomen in auxilium
Sidicinorum, quam vires ad praesidium attulerunt. VII, 29. (Die
Campanier brachten zum Schutz der Sidiciner mehr einen Namen als
wirkliche Macht mit.) Daraus kann man lernen, daß Bündnisse mit
Fürsten, die einem wegen der weiten Entfernung ihrer Länder nicht
helfen können, oder denen es wegen eigner Verwicklungen oder aus
andern Gründen an Macht dazu fehlt, dem Staate, der sich darauf verläßt,
mehr dem Namen nach als in der Tat helfen. So erging es in unserer Zeit
den Florentinern, die 1479 vom Papst und vom König von Neapel
angegriffen wurden S. Lebenslauf, 1479., denn von ihrem Bündnis mit
dem König von Frankreich hatten sie magis nomen, quam praesidium
(mehr den Namen als wirklichen Schutz). So würde es auch jedem
Fürsten gehen, der im Vertrauen auf Kaiser Maximilian Kaiser
Maximilian unternahm 1496, 1508 und 1509 Einfälle nach Italien, deren
klägliche Mißerfolge auf seiner Ohnmacht gegenüber den Reichsständen
und auf seinem steten Geldmangel beruhten. irgend etwas unternähme,
denn das wäre auch eins der Bündnisse, die magis nomen, quam
praesidium eintragen, wie es nach unserm Text bei dem Bündnis der
Campanier mit den Sidicinern der Fall war.
Die Campanier begingen also den Fehler, daß sie ihre Kräfte
überschätzten. Die Menschen sind manchmal so unüberlegt, daß sie die
Verteidigung andrer übernehmen, während sie selbst nicht so viel Macht
noch Einsicht besitzen, um sich zu schützen. So machten es auch die
Tarentiner, als die römischen Heere den Samnitern gegenüberstanden.
320 v. Chr. Vgl. Livius IX, 14. Sie schickten Gesandte an den römischen
Konsul und ließen ihn wissen, daß sie Frieden zwischen beiden Völkern
wünschten und dasjenige bekriegen würden, das den Frieden bräche. Der
Konsul lachte über diese Botschaft, ließ in Gegenwart der Gesandten zur
866