Page 870 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Frieden zu bitten. Zuletzt führt man Scipio an, der Afrika angriff, Die
                Schlacht bei Zama (202 v. Chr.) beendigte den zweiten punischen Krieg.
                um dem Krieg in Italien ein Ende zu machen.

                     Die Gegner dieser Ansicht sagen, wer den Feind vernichten wolle,
                müsse ihn von der Heimat entfernt halten. Sie führen die Athener an, die,
                solange sie den Krieg bequem in der Heimat führten, die Oberhand
                behielten, sobald sie aber ihr Land verließen und nach Sizilien
                übersetzten, die Freiheit verloren. Sizilische Expedition der Athener,
                415-413. Sie führen auch die Fabeln der Dichter an, wonach Antäos,
                König von Libyen, als er von dem ägyptischen Herakles angegriffen

                wurde, solange unüberwindlich war, als er innerhalb seiner
                Reichsgrenzen blieb, sobald er sich aber von Herakles hinauslocken ließ,
                Reich und Leben verlor. Hieraus entstand die Fabel von Antäos, dem
                seine Mutter, die Erde, neue Kraft gab, wenn er am Boden lag. Als
                Herakles dies merkte, hob er ihn in die Höhe und entfernte ihn von der
                Erde. Man führt auch neuere Beispiele an.

                     Jedermann weiß, daß König Ferdinand I. von Neapel 1458-94. Für
                die folgenden Ereignisse s. Lebenslauf, 1493-95. für einen der klügsten
                Fürsten seiner Zeit galt. Zwei Jahre vor seinem Tode ging das Gerücht,
                Karl VIII. von Frankreich wolle ihn angreifen. Er machte große
                Rüstungen, wurde krank, und als er seinen Tod nahen fühlte, ermahnte er
                seinen Sohn Alfonso unter anderm auch, den Feind mit seiner ganzen
                Heeresmacht innerhalb seiner Grenzen zu erwarten und um keinen Preis

                seine Truppen aus dem Lande zu ziehen. Alfonso folgte diesem Rat
                nicht, schickte ein Heer nach der Romagna und verlor Heer und Thron
                ohne Schwertstreich.
                     Die Gründe, die außer den schon genannten von beiden Seiten
                angeführt werden, sind folgende: Der Angreifer kommt mit größerem
                Mut als der Verteidiger, was dem Heer mehr Zuversicht gibt. Außerdem

                entzieht er dem Feind viele Möglichkeiten, sein Eigentum zu benutzen,
                denn die ausgeplünderten Untertanen bringen ihm nichts ein, und der
                Fürst muß, wenn der Feind im Lande steht, beim Einziehen von Steuern
                darauf halten, daß er seine Untertanen nicht zu sehr mit Auflagen
                bedrückt, weil sonst nach Hannibals Wort die Quelle versiegt, die ihm
                die Kriegführung ermöglicht. Außerdem sind die Soldaten dadurch, daß
                sie in Feindesland stehen, mehr zum Kämpfen gezwungen, und diese

                Notwendigkeit macht tapfer, wie ich schon mehrmals sagte.
                     Für die Verteidigung im eignen Lande wird angeführt: Wer den
                Angriff erwartet, hat viele Vorteile, denn er kann ohne eignen Schaden
                dem Feinde Lebensmittel und andern Kriegsbedarf abschneiden, kann





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