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18 KIRCHENGESCHICHTE Sören Kierkegård, geboren am 5. Mai 1813, gestorben am 11. November 1855 Sören Kierkegård wird als jüngstes von sieben Kin- worden bin, sondern alles andere versuchen woll- dern geboren, seine Mutter ist zu dieser Zeit 45 te." Und in "Erbauliche Reden" schreibt er – viel- Jahre alt. Sein Vater ist ein wohlhabender Woll- leicht sich selbst zur Beruhigung: „Christus selber händler und so kann Sören es sich leisten, mit Un- sagt, er habe Gefallen an dem Jüngling gefunden, terbrechungen insgesamt 22 Semester zu studie- der sich gleichwohl nicht entschließen konnte, sein ren. Er studiert in Kopenhagen Theologie, dann Hab und Gut den Armen zu geben. Ein Christ wur- auch Ästhetik und Philosophie. 1840 legt er die de der junge Mann nicht, und trotzdem fand Chris- theologische Staatsprüfung (magna cum laude) ab tus Gefallen an ihm. Also lieber Aufrichtigkeit als und gilt später als der bedeutendste dänische Phi- Halbheit.“ losoph. Im September 1838 erscheint Kierkegårds erste Kopenhagen war zu seinen Veröffentlichung, eine bösartige Polemik "Aus den Studienzeiten vergleichswei- Papieren eines noch Lebenden" gegen das Werk se kleinstädtisch, es hatte des Märchendichter Hans Christian Andersen "Nur gerade mal doppelt so viele ein Spielmann". Kierkegård kämpft dafür, dass man Einwohner wie das heutige ein „Genie nicht mit einem Jammerlappen ver- Lichtenrade. „Man“ kannte wechsele“ - jedenfalls hält Kierkegård den seiner- sich untereinander – Bürger- zeit berühmtesten Dänen für kein Genie. tum und der kleine Hof bilde- ten die Bühne, auf der sich Kierkegård, so scheint Kierkegårds Leben abspielte. sich schon hier zu zeigen, kennt keinen Seinem Tagebuch sagt er dazu: „Ich komme soeben Respekt vor sog. Au- aus einer Gesellschaft, deren toritäten. Einzig Sok- rates erkennt er an Mittelpunkt ich war. Die Witz- worte strömten von meinen Lippen. Alles bewun- und schreibt als eine derte mich. Und ich –, ich ging hinaus und wollte seiner letzten Eintra- mich erschießen.“ gungen in sein Tage- buch: „Du edler Einfäl- Er hatte mit dem Tagebuch-Schreiben begonnen, tiger des Altertums, als 1834 seine Mutter starb. Die Tagebücher sind Du, der einzige auch veröffentlicht und sollen sehr lesenswert sein Mensch, den ich be- – aus eigener Erfahrung kann ich das leider noch wundernd als Denker nicht bestätigen. Über die Grenzen hinaus bekannt anerkenne.“ machte diesen Denker wohl seine Auseinanderset- zung mit der christlichen Lehre im Unterschied zu 1847 hat er erste fi- dem aktuell gelebten Christentum, z.B.: „Man hat nanzielle Probleme, er das Christentum viel zu sehr zu einem Trost umge- muss sein Elternhaus arbeitet, vergessen, dass es eine Forderung ist. verkaufen, gesund- Søren-Kierkegård-Plastik heitliche Probleme fol- von L. Hasselriis im Hof Wehe, ihr schlappen Schwätzer! Die Folge davon ist, dass es um so furchtbarer über den hergeht, gen bald. 1855 stirbt der Königlichen Bibliothek der wieder das Christentum verkünden soll.“ Und er, 42 Jahre alt. Er in Kopenhagen von seiner Einstellung zur seinerzeit bestehenden lehnt es ab, von ei- Kirche spricht der Satz: „Von Nichts kann man nicht nem Geistlichen das Abendmahl zu empfangen. leben, hört man oft, besonders vom Pfarrer. Und Aber er bittet seinen Freund Boesen, alle Men- schen zu grüßen, die er sehr geliebt habe und die gerade die Pfarrer bringen es zuwege: Das Chris- tentum existiert nicht, – aber sie leben davon.“ sein Leiden und Leben nie hätten begreifen kön- nen. All seine Schwermut und Bissigkeit hat ihn Im Mai 1837 verliebt er sich in die wohl auch gelehrt zu erkennen: fünfzehnjährige Regine Olsen. Im „Das Höchste, was ein Mensch vermag, ist, dass er Sept. 1840 wird die Verlobung gefei- sich von Gott helfen lassen kann. Gott dringend nö- ert, im August 1841 schickt er den tig zu haben, ist des Menschen höchste Vollkom- Ring allerdings zurück, die Gründe da- menheit.“ für bleiben dauerhaft im Dunkel. „Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. 1837 schreibt er in sein Tagebuch: Leben aber muss man es vorwärts.“ "Ich denke, wenn ich einmal ein erns- Weiteres über Sören Kierkegård finden Sie in ter Christ werde, dann werde ich mich am meisten http://soren-kierkegaard.virtusens.de/ darüber schämen, dass ich dies nicht früher ge- Dagmar Seidlitz
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