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16 GESCHICHTE Am 18. Mai vor 21 Jahren verstarb Pfarrer Heinrich Albertz Ein für die Gropiusstadt historisches Foto zeigt Biografie den Titel ‚Blumen für Stukenbrock‘. Heinrich Albertz mit einer Bierflasche in der Hand. Sein hochgestecktes Ziel: Eine Welt ohne Krieg Er sitzt im kurzen Hemd auf den Stufen des Ein- und Waffen. Sicher eine Utopie. Das hat man ihm gangs zum Haus der Mitte. Es war dort das erste auch immer wieder vorgeworfen. Doch er hielt Sommerfest, mit dem das Haus 1971 der Öffent- unbeirrt daran fest. lichkeit übergeben wurde. Auch hielt er es mehr mit denen ‚da unten‘ und 1970 war Albertz vom damaligen Neuköllner Super- weniger mit denen ‚da oben‘, obwohl er ja selbst intendenten Friedrich Wilhelm Esche zum „Grün- etliche Jahre zu denen ‚da oben‘ gehörte. dungspfarrer“ des Evangelischen Zentrums Haus In Breslau 1915 geboren, studierte er evangelische der Mitte in der Lipschitzallee 50 berufen worden. Theologie, wurde Pfarrer der Bekennenden Kirche, Hier lernte er nach seinen eigenen Worten von den mehrfach von der Gestapo verhört und schließlich vielen dort aktiven jungen Leuten, was Kinder- und als Soldat in die Festung Glatz eingesperrt. Nach Jugendarbeit ist und bestand darauf, wie wichtig die dem Krieg wurde er Flüchtingspfarrer, Minister in Mitsprache der Bürger im Gemeinwesen ist. Er füg- Niedersachsen, kam nach Berlin als Innensenator te sich ein in die Debatten jener Jahre – in die und zog 1966 als regierender Bürgermeister ins politischen Debatten und die Auseinandersetzun- Schöneberger Rathaus. Studentenunruhen erschüt- gen um eine Reform der Kirche. Es ging ihm um terten die Stadt. Der Student Benno Ohnesorg die Nähe zu den Menschen: wurde erschossen. Albertz fühlte sich für die po- „Das Ziel muss doch sein, dass Menschen als Men- lizeilichen Übergriffe verantwortlich und mitschul- schen . . . als Geschöpfe Gottes miteinander leben. dig. Unaufgefordert legte er im Herbst 1967 sein Und das Ziel muss doch sein, dass die Erde, auf Amt nieder. Mit Hochachtung würdigten viele Men- der wir leben, das bleibt, was sie sein sollte, näm- schen diesen Schritt, den andere nur gehen, wenn lich eine Schöpfung, in der man leben kann.“ sie unter öffentlichen Druck geraten. So schreibt er in seinem autobiographischen Buch Wichtig war die Freundschaft mit Bischof Scharf ‚Blumen für Stukenbrock‘. und Helmuth Gollwitzer. Nach dem Ausscheiden Stukenbrock, Stammla- aus dem politischen Amt ließ er sich in die Neu- ger der Wehrmacht nahe köllner Fürbitt - Kirchengemeinde entsenden, 1970 Bielefeld, 65.000 Kriegs- in die Gropiusstadt rufen – ins Haus der Mitte. Spä- gefangene und Zwangs- ter wurde er Pfarrer in Schlachtensee. Eine Ge- arbeiter aus der Sow- meinde sah er nie als Festung der Rechtgläubigen jetunion, aus Frankreich und Frommen an, sondern als eine Gemeinschaft, und Polen. Sie sind dort die andere nicht ausgrenzt. buchstäblich verreckt und Als der Politiker Peter Lorenz entführt wurde, um verscharrt worden. Stu- damit im Gefängnis sitzende „Genossen der Roten kenbrock ist nicht über- Armee Fraktion“ frei zu pressen, ließ er sich auf mäßig bekannt. Wer woll- eine dramatische Rettungsaktion ein. Er gab sich te schon was wissen von selber als Geisel in die Hände der Terroristen und dieser Hölle, als Heinrich flog mit ihnen nach Südjemen. Peter Lorenz kam Albertz eine Blume auf frei. In einer Fernsehansprache sagte er: „Es gibt das Grab eines unbe- eine unbeschreibliche Hoffnung – Jesus Christus kannten Soldaten legte. Anschließend hielt er eine hat sie uns gegeben – dass der Tod nicht das letzte erschütternde Ansprache vor denen, die gekom- Wort hat, dass wir im Sterben nicht tiefer fallen men waren – aus Frankreich, Polen und Russland, können als in Gottes Hände.“ weil sie nicht vergessen wollten. Und er gab seiner Pfr. Veit Hoffmann