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12 REFORMATION & REFORMATOREN Zum 450. Todestag des Genfer Reformators Johannes Calvin Ein Erneuerer des Christentums „Es ist nirgendwo untersagt, Gewaltenteilung. Geboren wurde Johannes Calvin am zu lachen und sich zu sätti- 10. Juli 1509 in Nordfrankreich. Er studierte zunächst gen, am Klang der Musik Theologie und dann Rechtswissenschaften. Ernste sich zu erfreuen oder Wein Zweifel an der katholischen Kirche kamen bei ihm auf, zu trinken.“ Ausgerechnet in als sein Vater, ein bischöflicher Verwaltungsbeamter, der Glaubenslehre (Institutio starb und ihm ein kirchliches Begräbnis verweigert wur- religionis christianae) von de, weil er mit einem Kirchenbann belegt war. Calvin be- Johannes Calvin finden sich gegnete Anhängern von Martin Luther: „Ich lieh jenen diese lebensfrohen Worte. Lehren nur ungern mein Ohr, mit leidenschaftlichem Dies mag eine Überraschung Eifer widerstand ich ihnen.“ Doch „wie durch einen plötz- für diejenigen sein, die den lichen Lichtstrahl erkannte ich, in welchem Abgrund Calvinismus als eine puritanische Glaubensrichtung von Irrtümern ich mich befunden hatte.“ kennengelernt haben, in der die „Kirchenzucht“ groß Da in Frankreich ein feindliches Klima gegenüber der geschrieben wird. Nicht als Selbstzweck wollte der Reformation herrschte, musste Calvin wie viele ande- sich als „schüchtern, sanft und zaghaft“ bezeichnende re fliehen. Schließlich landete er in Genf. Schon auf der Reformator seine Kirchenordnung verstanden wissen, Flucht hatte er begonnen, sein monumentales Werk sondern als ein Mittel, um seine auseinanderstreben- „Institutio“ zu schreiben. Die Reformatoren, so ver- de Genfer Gemeinde zusammenzuhalten. Calvin: suchte er mit einer Vorrede an den französischen Kö- „Wie die Lehre Christi die Seele der Gemeinde ist, so nig darzulegen, waren keine Ketzer, sondern wollten in steht die Disziplin für die Sehnen. Sie bewirkt, dass Rückbesinnung auf die Bibel eine Erneuerung des die Glieder des Leibes – jedes an seinem Platz – un- Christentums. Um Pfarrer für die verfolgten Gemein- tereinander verbunden werden.“ Dem dienen auch die den in Frankreich und in der Verbannung auszubil- vier kirchlichen Ämter, die das religiöse und soziale den, gründete Calvin 1559 die Genfer Akademie. Un- Leben der Gemeinde fördern: Die Pfarrer für die Pre- ter der Leitung von Theodor Beza wurde sie zu seiner digt und Seelsorge, die Doktoren für den Unterricht, Hochschule des Calvinismus. die Diakone für die Armenpflege und die Ältesten für Calvins letzte Lebensjahre waren überschattet von die Gemeindeleitung. vielen Krankheiten, die den Arbeitssüchtigen immer Rund 80 Millionen Christen weltweit gehören heute mehr niederdrückten. Am 27. Mai 1564 starb er im Al- den reformierten Kirchen an, die sich an Calvins Leh- ter von 54 Jahren. Auf eigenen Wunsch wurde seine ren orientieren. Darüber hinaus gelten seine Vorstel- Grabstelle nicht gekennzeichnet. Er hatte nicht die lungen von der Machtaufteilung innerhalb der Ge- eigene, sondern Gottes Ehre gesucht. meinde als Vorstufe zur modernen demokratischen Reinhard Ellsel STICHWORTE: Reformation Evangelisch-reformiert Mit Reformation bezeichnet man die kirchliche Erneu- Zu den Vätern der Schweizer Reformation des 16. erungsbewegung, die im 16. Jahrhundert von Deutsch- Jahrhunderts zählen Ulrich Zwingli (1484–1531) aus land ausging und Europa grundlegend veränderte. Zürich und Johannes Calvin (1509–1564) aus Genf. Die Reformation begann mit dem Thesenanschlag Beide setzten auf eine radikale Erneuerung der Kir- des katholischen Augustinermönchs Martin Luther che. In reformierten Kirchen gibt es keine Altäre, kei- (1483–1546) an die Tür der Schlosskirche in Witten- ne Kruzifixe und keine Wandmalereien, weil das Ge- berg im Jahr 1517. Als führende Köpfe der Reformati- bot „Du sollst dir kein Bildnis machen“ sehr ernst on gelten neben Luther Johannes Calvin (1509–1564) genommen wird. Im Mittelpunkt der Gottesdienste und Huldrych Zwingli (1484–1531). Der Reformation steht die Predigt. In der reformierten Kirche herrscht schloss sich eine breite gesellschaftliche Bewegung ein striktes Gleichheitsprinzip: „Keine Gemeinde darf an, in der sich Vertreter aller im Kampf gegen die über eine andere, kein Gemeindeglied über ein ande- Papstkirche zusammentaten. Die Ausbreitung der Re- res Vorrang oder Herrschaft beanspruchen“, heißt es formation war von sozialen Unruhen begleitet, wie sie in der Kirchenverfassung. etwa in den Bauernkriegen zum Ausdruck kam. Die Evangelisch-reformierte Kirche wurde 1882 auf Weil die mittelalterliche Papstkirche eine Reform ver- dem Gebiet des heutigen Niedersachsen gegründet. weigerte, kam es zudem zu der von Luther zunächst 1989, 2011 und 2014 kamen die reformierten Ge- nicht beabsichtigten Bildung von lutherischen und meinden aus Bayern, Hamburg, Braunschweig und auch reformierten Kirchen. Die Fronten waren so ver- Göttingen hinzu. Zur Reformierten Kirche in Deutsch- härtet, dass sich das Christentum in verschiedene land zählen etwa 200.000 Christen von den 23,6 Milli- Bekenntnisse spaltete. Weltweit gibt es heute rund onen in der Evangelischen Kirche in Deutschland. 400 Millionen Protestanten.