Page 12 - ARTEMIS_Nr.9 (Weihnachten 2021)
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Ein am Baum entzündeter „Sternspritzer“ brachte die Wahrheit ans Licht: Das Ding war zum
Teil ein Papierbaum, denn die Nadeln neben dem Sternspritzer begannen zu glosen, wie bei
einem echten Nadelbaum. Schnell gelöscht, dachte ich an die mitgelieferten Ersatzzweige, die
noch im Keller in der Verpackungsschachtel ruhten, also kein Grund zur Beunruhigung.
Zu Neujahr meinte meine Frau, dass es an der Zeit sei, den Christbaum einzupacken, auch
wenn er – künstlich – für den Dauergebrauch geeignet ist. Also wurde er von mir fachgerecht
zerlegt, in die Schachtel gepackt, die Glaskugeln, das Lametta und die Leuchtgirlanden
dazugepackt und im Keller verstaut – problemlos! Selbstverständlich kam ich – es war ja
Weihnachten – der Bitte meiner Gattin nach, im Wohnzimmer schnell auch noch den Boden
zu saugen und den kleinen Teppich, auf dem der Christbaum gestanden war. Im
Handumdrehen war auch das erledigt.
Bei genauerem Hinsehen hatte der echte, in tiefen Blautönen gehaltene Teppich hässliche
kleine grünschimmernde Fusseln. Ich kniete nieder – und stellte ergriffen fest, dass diese
Fusseln, papierene „Nadeln“ der Kunststofftanne waren, die – wie die echten – dem
Staubsauger widerstanden hatten. Verschämt klopfte ich auf dem Balkon die Nadeln aus dem
Teppich. Als meine Frau das Wohnzimmer inspizierte, begann sie murrend hartnäckige
Papiernadeln erneut aus dem Teppich zu klauben und meinte seufzend, dass auch noch in den
Ritzen des Parkettbodens ...
Ich floh aus dem Zimmer. Ich hörte noch, wie meine Frau mir nachrief: „Bring mir bitte einen
Zahnstocher aus der Küche, damit ich die Nadeln ...“
Eine unchristliche Erinnerung an die griechische Mythologie, an Sisyphos und die Büchse der
Pandora ist hier angesagt!